Samstag, 6. Juni 2015

seid, wie ihr seid

Sophia Loren sagte einmal: "Ganz und gar man selbst zu sein, kann schon einigen Mut erfordern."
Aber warum ist das so? Warum ist uns allen oft so wichtig, was andere von uns denken, was andere meinen, wie wir sein sollten, was andere von uns erwarten und gleichzeitig so unwichtig, was wir selbst denken und meinen und erwarten?
Sicherlich ist es schön, gemocht zu werden. Mir ist es auch lieber, in angenehmer Atmosphäre entspannt mir Freunden zu plaudern, als ständig überall anzuecken. Wenn das aber voraussetzt, dass ich mich verbiegen muss und permanent überlegen muss, was "man" von mir erwartet, dann ist das doch nicht mehr entspannt, oder?
Ich finde es schade, dass es so viele Menschen gibt, denen es scheinbar so schwer fällt, zu sich selbst zu stehen. Bei denen man den Eindruck hat, als ob sie wie kleine Roboter Antennen ausgefahren hätten um zu bemerken, was von ihnen erwartet wird. Die sich oft bis zur Unkenntlichkeit zurücknehmen, nur um ja beliebt zu sein. Die heute diese und morgen jene Rolle spielen, um Everybody's Darling zu sein und sich selbst dabei völlig aus den Augen verlieren.
Interessanterweise gibt es das nicht nur bei "angenehmen" Verhaltensweisen, also, dass jemand versucht, immer nett und adrett und fleißig zu sein, sondern auch bei anderen Erwartungshaltungen. In meiner Krebszeit sind mir einige Menschen begegnet, die versucht haben, den Erwartungen an sich als Krebskranke gerecht zu werden. Das heißt: Krank sein, leiden, Angst haben, ...
Bitte versteht mich jetzt nicht falsch. Ich weiß, dass jeder Mensch anders ist, ich weiß auch, dass es leider Menschen gibt, die tatsächlich wesentlich mehr unter Nebenwirkungen oder Krankheitserscheinungen zu leiden haben, als ich es je hatte. Und sind wir ehrlich: Ja, jede(r) von uns hat Angst. Immer wieder, mal mehr, mal weniger. Aber manchmal habe ich das Gefühl, einige geben sich gar nicht mehr das Recht, dass es ihnen gut geht. Schließlich haben sie ja Krebs. Da darf man nicht nicht-Leidend sein. Weil andere von einem erwarten, dass man in einer furchtbaren Lebenssituation steckt und deshalb gefälligst zu leiden hat. DAS finde ich bedenklich.
Ich lese immer wieder Artikel, in denen es darum geht, dass das Leben nie mehr so sein wird, wie vor der Diagnose. Und ich glaube für mich, dass da der Denkfehler liegt.
Kein Leben - egal ob mit oder ohne Krankheit - wird morgen noch so sein wie heute oder übermorgen wie gestern. Oder auch: Auch in einem Leben mit Krebs wird es Tage geben, die sind wie vor der Diagnose und andere. Es mag Momente oder vielleicht sogar Tage, Wochen, Monate geben, ohne einen Gedanken an Krebs oder Angst davor. Und es wird Zeiten geben, in denen die Angst sich wie eine Klammer ums Herz legt. Aber wir müssen uns das Recht geben, auch diese anderen Zeiten zu haben..
Natürlich kann man auch das nicht über einen Kamm scheren: Das Leben des einen ändert sich stärker als das des anderen. Und genau darum geht es: Es gibt keine allgemeingültigen Aussagen, die für alle zutreffen. In den seltensten Fällen, egal worum es geht. Und deshalb muss man sich auch nur sehr, sehr selten danach richten, was andere von einem erwarten, weil andere vielleicht das völlig falsche Bild für einen selbst im Kopf haben. Eines, das auf ihren Erfahrungswerten und ihrer Geschichte basiert und somit nicht zwangsläufig (oder wenn wir ehrlich sind sogar nur sehr selten) auf mich zutreffen muss.
Statt desssen sollten wir uns alle viel öfter das Recht nehmen, darauf zu hören, was WIR wollen, wie es UNS geht, was WIR erwarten. Einfach nur WIR SELBST sein. Denn Freunde sind die, die uns so mögen, wie wir sind. Die es schaffen, uns zu sagen, was sie an uns nicht so gerne mögen, ohne uns dabei die Klatsche zu geben und uns zu verletzen. Die, die ertragen, dass wir manchmal nicht in die erwartete Form passen. Die, die uns dabei unterstützen, unseren Weg zu gehen - nicht ohne Rücksicht auf Verluste, aber immer erst Mal mit dem Ohr nach innen zu der eigenen Meinung und dann erst nach Außen zu der von anderen. Diese Menschen sind die wertvollsten und nicht die, die uns fallen lassen, sobald wir nicht mehr so sind, wie sie uns gerne hätten.

Ich habe mit Sophia Loren begonnen und ende mit Steve Jobs, dem Mitbegründer von Apple, der das Ganze nämlich wunderbar auf den Punkt bringt:
"Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen in die Falle locken. Lassen Sie nicht zu, dass die Meinungen anderer Ihre innere Stimme ersticken. Am wichtigsten ist es, dass Sie den Mut haben, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Alles andere ist nebensächlich."