Donnerstag, 22. Dezember 2016

Das gute alte christliche Abendland

Momentan habe ich ja manchmal eher das Gefühl mit Abend hat das nichts mehr zu tun. Eher mit tiefschwarzer Nacht.
Wo sind denn bitteschön diese Werte, auf die wir uns alle berufen und die wir so unheimlich vor "den anderen" schützen müssen? Für die wir die Grenzen schließen müssen, weil wir "Gutmenschen" sonst von den "Asylschmarotzern""überrannt" werden.
Ganz schön viele Gänsefüßchen in einem Satz. Aber man kommt ja praktisch aus dem Gänsefüßeln nicht mehr raus. Geradezu übermächtig ist das Bedürfnis, das Leben und die Vorgänge in der Welt wieder in eine Ordnung zu bringen. Auch wenn es heißt, alles in Gedankenschubladen zu pressen. Schubladen wie "Islamisten", "Asylanten", "Gutmenschen", "Nazis", .... 
Leider ist das Leben selten so einfach. Jeder, der schon mal versucht hat, seinen Schrank nach Farben zu sortieren kommt spätestens beim ersten Karohemd oder beim Blockstreifenshirt unweigerlich an das Kernproblem: zu welcher Farbe gehört es denn nun? 
Warum glauben wir aber, das etwas, was schon bei T-Shirts nicht gelingt ausgerechnet bei Menschen funktioniert? 
Nehmen wir mal die Schublade "Asylant". Wie kann ich Menschen aus völlig verschiedenen kulturellen und geographischen Herkunftsbereichen in einen Sack packen? Bringt das wirklich Ordnung? Oder ist es viel mehr ein "Deckel drauf und nicht mehr sehen müssen"? 
Genau dieses "nicht mehr sehen wollen" widerspricht aber den christlichen Grundwerten. Denn wenn wir das Christentum ernst nehmen, dann fordert es uns ja gerade dazu auf: Zu sehen. Nicht die Augen zu verschließen vor dem Elend der Welt sondern zu sehen und zu helfen wo es uns möglich ist. Zu erkennen, was Richtig und was Falsch ist. Nicht nach dem ersten Schein zu urteilen, sondern dahinter zu sehen. 
Jeder kennt die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Wir erinnern uns: Zwei gingen vorüber, darunter ein Priester, also einer, der es eigentlich besser wissen sollte. Und einer hilft. Einer, von dem man es eigentlich nicht erwartet hätte, der auch im Grunde keine Veranlassung hat, dem Menschen, der da liegt, zu helfen. Außer, dass da ein Mensch liegt, der Hilfe benötigt.
Jeder von uns hat jeden Tag die Wahl, wer in diesem Gleichnis er sein will. Priester, Levit oder Samariter?
Sind wir derjenige, der vorübergeht, wegsieht und sich einredet, aus diesen oder jenen Gründen nicht helfen zu können oder zu müssen oder sind wir der, der hilft, egal, wer da vor ihm liegt?
Ich höre jetzt schon wieder einige aufstöhnen, sehe sie förmlich die Augen verdrehen. "Wieder ein Gutmensch" denken sie und sortieren mich in die Schublade der realitätsfernen Pseudooptimisten. Genauso wie ich sie insgeheim in der Schublade "rechtsorientiert" ablege und kurz grüble, ob ich so jemanden wirklich kennen will und ob ich mich auf diese Diskussion wirklich einlassen soll oder nicht.
Denn bei dem ganzen Chaos in der Welt wünscht sich auch mein Hirn Ordnung. Auch wenn ich genau weiß, dass es nicht funktioniert. 
Aber ich will kein Schubladendenker sein. Genau aus diesem Grund nehme ich mir die Zeit und gehe eben schon in die Diskussion. 
Erstens, weil nicht jeder, der auf den "wir brauchen Obergrenzen"-Zug aufspringt tatsächlich etwas gegen Ausländer hat. Viele haben einfach nur Angst. Riesenangst. Vor der Veränderung, vor der Un-Ordnung, vor dem nicht-in-Schubladen-packen-.Können. Für Angst kann keiner was. Angst hat man eben, da wird man nicht gefragt. Gemeinerweise wird diese Angst momentan auch massiv gefördert. Von Parteien, von den Medien, von Menschen, die genau wissen, wie man diese Angst zu seinen eigenen Gunsten nutzen kann. Bei der Berichterstattung über den Vorfall auf dem Berliner Weihnachtsmarkt fiel von Anfang an immer und immer wieder das Wort "Anschlag". "Wir wissen noch nicht, ob es sich um einen Anschlag handelt..." "wir sagen nicht, dass es ein Anschlag war..."
Immer und immer wieder dieses Wort mit dem abschwächenden "nicht". Blöderweise funktioniert "nicht" aber bei unserem Gehirn nur sehr begrenzt. Denk mal nicht an einen rosa Elefanten.... Plopp - schon ist er da, der rosa Elefant und wird dann mühevoll vom Hirn durchgestrichen.  
Eigentlich ganz schön einfach, Menschen in eine gewünschte Richtung zu beeinflussen. Außer, man macht sich bewusst, wie  das funktioniert und denkt dann nochmal drüber nach, was gerade so passiert. Aber denken ist anstrengend. Man muss sich manchmal wirklich dazu zwingen, weil die Lösung, die einem da auf dem Silbertablett angeboten wird doch so viel einfacher ist - und ganz ohne Denken auskommt.
Zweitens diskutiere ich, weil die Erfahrung zeigt, dass Angst meist eine sehr irrationale Sache ist und in den allermeisten Fällen kleiner wird, wenn man darüber spricht und dabei sein Gehirn mit einbezieht und die Hormone somit ein bisschen abschwächt.
Last but not least darf man natürlich auch nicht vergessen, dass ich einfach gerne diskutiere...

So, weil das christliche Abendland ja viel mit Glauben zu tun hat (auch wenn erschreckend viele nicht mal mehr wissen, was wir an Weihnachten denn nun genau feiern...) erzähle ich Euch jetzt, was ich glaube:
  • Ich glaube, dass es nette und blöde Menschen gibt. Überall auf der Welt. Egal mit welcher Hautfarbe oder mit welchem Glauben sie durch die Welt laufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es unter den ausländischen Mitmenschen (egal woher sie kommen) Arschlöcher gibt und welche, die kriminell sind und welche, die anderen nichts Gutes wollen ist ziemlich genau gleich groß wie die, dass es Deutsche gibt, die Arschlöcher sind, kriminell sind oder anderen nichts Gutes wollen.
  • Ich glaube, dass Menschen, die wir jetzt ausgrenzen und denen wir keine Chance geben, weil sie anders sind viel anfälliger sind für Radikalisierung. Menschen wollen dazugehören. Das ist evolutionär so angelegt. Man muss dazugehören um zu überleben. Nur gemeinsam sind wir Menschen stark und überlebensfähig. Wenn wir anderen das Gefühl geben, nicht dazugehören zu können, dann werden die sich mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zu Verhaltensweisen hinreißen lassen, die wir nicht wollen als wenn sie erleben, dass ihnen geholfen wird und man ihnen offen entgegentritt.
  • Ich glaube, dass genau unser christlicher Hintergrund uns dazu auffordert, eben dieses zu tun - wer sagt "ich hab mit dem Christentum nichts am Hut" möge bitte aufhören, das christliche Abendland beschützen zu wollen.
  • Ich glaube, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Angst ist gut, um uns vor übereilten Handlungen zu schützen. Danach muss aber das Hirn wieder eingeschaltet werden.
Und was das Wichtigste ist:
  • Ich glaube, dass jeder für sich selbst in der Hand hat, zu denken und zu handeln. Jeder hat die Möglichkeit, das Richtige zu tun. Dafür muss man nichts Großes vollbringen, das kann jeder in seinem Umfeld und seinem Rahmen. Wenn das nämlich jeder in seinem Kreis tut, wird der gesamte Kreis riesig - und dann funktioniert das mit der Toleranz und dem Frieden vielleicht doch noch.

Ich wünsche Euch allen ruhige, frohe, gesegnete, schöne, lustige und vor allem friedliche Weihnachtstage. Macht das Beste aus Eurem Leben, vielleicht gibt es nur dieses eine.



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