Mittwoch, 13. Dezember 2017

Was sagt die Ausbildung über das, was man kann?

Es gibt Momente im Leben, die lassen mich hoffen, dass mein Atlas und mein Dreher stabil genug sind, um das dauerhafte Kopfschütteln auszuhalten.
Beispiel heute:
Eine Freundin von mir studiert Erziehungswissenschaften an der Uni. Sie soll eine Hausarbeit zu einem Erziehungsthema schreiben und hat mich gefragt, ob mir was interessantes einfallen würde. Ich habe überlegt, was in meinen Familien die Dauerbrenner sind und hab ihr das Thema "Grenzen setzen" und als Literatur dazu Jesper Juul und Jan Uwe Rogge empfohlen. Die fand ich von dem, was ich so bislang gelesen habe mit am Besten und am Sinnvollsten.
Kommentar der Dozentin: Sie möge doch noch mal schauen, ob das wirklich eine pädagogische Ausbildung haben oder "nur" Therapeuten oder Berater sind, die halt Bücher schreiben...
Also schreibt bitte niemand eine Arbeit über Montessori oder Piaget.
Maria Montessori war Ärztin, Jean Piaget Entwicklungspsychologe und zu meiner Zeit im Studium waren das noch DIE Reformpädagogen, DIE Vorreiter einer neuen Haltung und einer neuen Pädagogik.
Jesper Juul hat Religion und Geschichte am Lehrerseminar studiert und eine fundierte familientherapeutische Ausbildung absolviert. Befähigt ihn das, etwas über Pädagogik und Erziehung zu schreiben? In meinen Augen ja.
Rogge studierte Kulturwissenschaften, politische Wissenschaften und Germanistik und forschte ganz viel in den Gebieten Familie, Kindheit und Medien. Auch hier die Frage: "nur" Berater, der ein Buch schreibt???
Ich habe mal überlegt, welche Fortbildungen und Bücher mich in den letzten Jahren in meiner pädagogischen Arbeit beeinflusst und weitergebracht haben.
Da waren Juul (den mag ich übrigens besonders, der hat am selben Tag wie ich Geburtstag ;-) ) und Rogge, Hüther (Hirnforscher), Brisch (Kinderpsychiater), Omer (klinischer Psychologe), DeShazer und Berg (Psychotherapeuten), ...

Grundsätzlich stellt sich die Frage, was Erziehung heißt. Da finden sich ja viele verschiedene Definitionen. Den meisten gemeinsam dürfte sein, dass es darum geht, Kinder dazu zu befähigen, eigenverantwortliche, soziale Erwachsene zu werden. Ich persönlich glaube nicht, dass das an einer einzigen Profession festzumachen ist. Das kann ein Psychologe, Therapeut, Berater, Sozialarbeiter, Lehrer, Arzt oder sonst was sein. Wenn die Haltung stimmt und das, was derjenige tut und sagt a) nachvollziehbar und b) hilfreich ist, finde ich, dass die ursprüngliche Ausbildung eher egal ist. Und schließlich hat Entwicklung, Reifung und Wachstum doch auch was mit Psychologie, mit Medizin, mit Lernen und sozialer Kompetenz zu tun. Kann man da wirklich das eine vom anderen getrennt betrachten? Gibt es eine Pädagogik ohne

Jean Paul sagte: "Über Erziehung schreiben heißt beinahe über alles auf einmal schreiben."
Das lassen wir doch einfach mal als Schlusswort gelten.


Donnerstag, 9. November 2017

What gives me the Blues...

November - Zeit für den alljährlichen Herbst-Blues.
Tief in meinem Inneren bin ich ja ein Bär. Ab September/Oktober zieht es mich langsam in meine Höhle und wenn es dann grau und nass und kalt und dunkel wird, dann möchte mich am Liebsten in meine Decke mummeln und bis März nicht mehr aufstehen...
Leider, leider ist die Umwelt allerdings eher bärenfeindlich und somit muss ich wohl auch weiterhin auf den Winterschlaf verzichten.

Wie bei vielen wirkt sich der fehlende Winterschlaf und die fehlende Sonne auch bei mir gerne mal ein bisschen auf die Laune aus. Ich bin mürrischer und empfindlicher, die Nerven sind dünner.
Zeit, mal darüber nachzudenken, was denn den Blues schlimmer und was ihn besser macht:

What gives me the Blues:
- fehlendes Sonnenlicht
- 10 kg zu viel auf der Waage
- Schokoladenmangel
- fehlender Winterschlaf
- Freunde, die keine mehr sind, aber ein Loch im Herzen hinterlassen haben
- Menschen, die mir das Gefühl geben, zu versagen, weil ich nicht bin wie sie
- Menschen, die mir das Gefühl geben, sich für mich zu schämen
- die Tatsache, dass ich Ordnung nicht kann
- Streit mit meinen Kindern wegen klitzekleinen Kleinigkeiten
- Menschen, die für ihre Belange kämpfen und dabei meine nicht respektieren
- zu viel Arbeit
- das Leid anderer und die partielle Unfähigkeit, mich dagegen abzugrenzen
- der momentane politische Wahnsinn in der Welt
- Menschen, die immer erst mal dagegen sein müssen
- falsche, unehrliche Menschen
- Idioten
- zu merken, dass es einem meiner Lieben nicht gut geht und nichts tun zu können
- nicht mehr selbst entscheiden zu können, dass ich keine Kinder mehr mag
- Angst vor der Zukunft
- ...

Zum Glück gibt es aber nicht nur die "blauen" Momente, sondern auch viele strahlend goldene, die dagegen halten:

What makes me happy:
- durch buntes Laub rascheln
- sonnige Herbsttage oder Pfützenhüpfen
- (heiße) Schokolade
- Freunde, die bleiben, egal was ist
- Menschen, die nicht die Nase über mich rümpfen und mich sein lassen können, wie ich bin
- Kuschelmomente
- Fotografieren
- Basteln
- Menschen, die helfen ohne zu fragen
- die Tatsache, dass ich den Hasen meines Herzens gefunden habe
- meine Familie
- schnurrende Katzen auf meinem Bauch
- mit meiner Ärmeldecke und den Katzen, einer Tasse Tee und einem Buch auf dem Sofa kuscheln
- spielen mit meinen Kindern
- Urlaub im Wohnwagen
- Erinnerung an den Sommer
- ausschlafen
- wenn Menschen zu mir sagen: "schön, dass wir uns getroffen haben"
- gute Gespräche
- Singen und Musik
- Lachen
- um Rat gefragt zu werden
- ...

Ich wünsche Euch allen mehr goldene als blaue Momente im Herbst. Passt auf Euch auf.

Sonntag, 6. August 2017

die alten Griechen wieder....

"Kein besseres Heilmittel gibt es im Leid als eines edlen Freundes Zuspruch." 

Das sagte schon der gute, alte Euripides, der irgendwann 400-500 Jahre vor Christus gelebt hat. Und er hatte Recht. 
Ich weiß aus eigener Erfahrung (und zwar auf beiden Seiten), dass man als Angehöriger eines erkrankten Menschen oft das Gefühl hat, nichts tun zu können. Der Betroffene selbst kann kämpfen - aber man selbst steht hilflos daneben und muss zusehen. Man kann nur mitgehen, wo man doch so gerne auch etwas abnehmen würde. 
Aber gerade das Mitgehen ist so unglaublich wichtig und hilfreich. 
Ich vergleiche meine Krebserkrankung oft mit einem Weg, der über ziemlich unwägbares Terrain führte. Ich stand vor einigen Abgründen - und wenn ich meinen Mann nicht gehabt hätte, der neben/vor/hinter mir stand und mir immer gesagt hat: "Ich bleibe, ich halte, ich bin da" - dann hätte ich das Ganze mit Sicherheit nicht so gut und so problemlos überstanden.

Man kann es ein bisschen vergleichen, wie wenn man mit seinem Kind auf dem Spielplatz ist. Irgendwann steht man dann vor der Seilbrücke, in die man als Erwachsener gar nicht wirklich hineinpasst und erzählt dem Kind, dass das sicher ist - und das Kind traut sich nicht. Aber manchmal schafft man es, dass man dem Kind vermittelt: "Ich bin da, ich halte Dich, ich pass auf Dich auf" und es so viel Vertrauen in einen hat, dass es sich traut, obwohl man ihm nicht direkt helfen kann. Man hilft ihm mental. Indem man da ist. Einfach nur da. 
Genauso, wie man es hält und tröstet, wenn es beim Rennen gefallen ist. Natürlich kann man ihm den Schmerz nicht wirklich nehmen - aber er ist so viel leichter zu ertragen, wenn da jemand ist, der einen in den Arm nimmt und pustet und einem das Gefühl gibt, nicht alleine zu sein.


Genauso ist es auch, wenn man groß ist. Natürlich kann niemand seinem Lieben die Schmerzen oder die Angst oder den Weg durch die Therapien oder auch den letzten Weg des Sterbens abnehmen. Aber wir können dafür sorgen, dass all diese Wege nicht alleine beschritten werden müssen. Dass wir als Angehörige und Freunde da sind und sagen: Ich bleibe, egal was kommt, an Deiner Seite und gehe Deinen Weg mit Dir. Du musst ihn nicht alleine gehen. Und wenn Du fällst, dann helfe ich Dir auf. Ich nehme Dich in den Arm und puste. 

Ich bin nach wie vor unendlich dankbar dafür, dass ich Menschen an meiner Seite hatte, die genau das getan habe. Und dass ich jeden Tag erleben darf, dass auch andere solche Menschen haben. Leider nicht jeder, aber doch ziemlich viele. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die ihre Lieben in solch schwierigen Situationen nicht alleine lassen. Die mit ihnen lachen und weinen, sich fürchten und trotzdem da bleiben.
Macht weiter so. Und seid Euch bewusst, dass Ihr genau DAMIT so wahnsinnig viel helfen könnt.

Danke!

Freitag, 28. April 2017

ganz schön schlauer Kerl...

... der Herr Konfuzius.
Wenn man dem Internet trauen kann (klar, kann man doch, oder?) dann hat der nämlich mal gesagt:

"Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben."

Recht hat er, der Konfuzius. Allerdings scheint da in unserer Zeit bei vielen was durcheinander gekommen zu sein. Irgendwie hab ich das Gefühl, das "von sich fordern" ist out, dafür ist das "von anderen erwarten" unglaublich in.
Ich hab ja beruflich und privat unglaublich gerne mit Menschen zu tun. Und wenn ich die Begegnungen der letzten Zeit in meinem Kopf nochmal Revue passieren lasse, dann komme ich ziemlich häufig an den Punkt, dass Menschen genau wissen, was sie von wem erwarten können. 
Man kann vom Staat erwarten, dass er einen finanziert ohne dass er dafür etwas erwartet. 
Man kann erwarten, dass man einen Kindergartenplatz bis nachmittags um fünf bekommt, weil man einmal im Monat so lange arbeiten muss. 
Man kann erwarten, dass die Oma bereitwillig jederzeit die Kinder nimmt, damit man selbst in Ruhe einkaufen kann.
Man kann erwarten, dass jemand anders für einen einen Kuchen bäckt.
Man kann erwarten, dass die Krankenkasse/das Amt akzeptiert, dass ich die Regeln beuge oder breche, ohne mich rauszuwerfen (schließlich tun alle anderen das ja auch...)
Man kann erwarten, dass es kein Problem ist, wenn man Termine 10 Minuten vorher absagt, weil es kann ja schließlich mal was dazwischen kommen (Termine bei der Nail-Designerin zum Beispiel)
....
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Man erwartet einfach. Egal was. Hauptsache von anderen.
All diesen Punkten ist nämlich eines gemeinsam: Man erwartet etwas von ANDEREN. Selbst ist man fein raus. Es sind nämlich automatisch auch die anderen Schuld, wenn etwas nicht so klappt, wie ich mir das vorstelle. Praktisch. Dagegen sind viele nicht mehr bereit, auch nur den kleinen Finger zu rühren und schmuggeln sich aus anstrengenden Situationen heraus, indem sie anderen die Verantwortung zuschieben.

Nur leider funktioniert das Leben so nicht. Zumindest meines nicht. (Vielleicht mache ich ja auch was falsch.)
Man kann nicht nur von anderen erwarten. Je mehr man nämlich von anderen erwartet, desto größer wird wahrscheinlich irgendwann mal die Enttäuschung sein.
Wenn ich zurück denke, dann basieren die großen Enttäuschungen in meinem Leben nicht darauf, dass andere gemein zu mir waren oder sich falsch verhalten haben. Nein, sie basieren darauf, dass ich zu viel erwartet habe.
Ich habe erwartet, dass andere Menschen irgendetwas tun. Oder ich habe erwartet, dass Menschen so denken und handeln, wie ich das tun würde. Aber andere Menschen sind nun mal andere Menschen. Die denken und handeln so, wie SIE es tun und tun auch nicht zwangsläufig das, was ich gerne hätte. Und das ist auch in Ordnung. Jetzt ist die Frage: Darf ich erwarten, dass sie lernen, so zu denken und handeln, wie ich mir das vorstelle. Oder muss ich lernen, zu ertragen, dass sie anders denken und handeln? Auch wenn das Konsequenzen nach sich zieht, die ich mir nicht wünsche? Dass ich selbst Schritte machen muss zum Beispiel. Oder dass sich Wege trennen. Oder dass ich meine Wünsche und Bedürfnisse klar äußern muss (obwohl ich doch eigentlich erwarten würde, dass mein Gegenüber weiß, was ich will und brauche).
Wenn man aus dieser Erwartungsschiene rauskommt wird das Leben vielleicht etwas anstrengender - aber insgesamt auch wesentlich selbstverantwortlicher. Weil ich nicht immer darauf warten muss, dass andere etwas tun.
Außerdem wird man selbst weniger verletzlich. Letztlich kann ich nämlich niemanden dazu zwingen, etwas zu tun. Wenn ich von jemandem einen Kuchen erwarte, und er macht keinen, dann werde ich enttäuscht sein, werde traurig oder wütend sein. Wenn ich jemanden ergebnisoffen frage, ob er mir einen Kuchen machen würde, ohne die Erwartung zu haben, dass er es tut, kann ich nur beschenkt aus der Situation gehen, wenn mir der Kuchen zugesagt wird. Aber ich habe nichts verloren und muss nicht traurig oder sauer sein, wenn mir die Bitte aus welchen Gründen auch immer abgeschlagen wird.
Und sind wir ehrlich: Wenn wir den Spieß umdrehen: Wenn man das Gefühl hat, etwas wird von einem erwartet, hat man doch schon überhaupt keine Lust mehr darauf, oder?

Kommen wir zurück zum unglaublich weisen Herrn aus China. Würden wir mehr von uns selbst als von anderen fordern und erwarten, würde uns mancher Ärger, viele Enttäuschungen, einiges an Zorn und Wut und sicherlich auch ein bisschen Traurigkeit erspart bleiben.
In diesem Sinne: Überlegt ganz genau, was ihr von wem erwarten könnt und wo ihr selbst gefragt seid.


Freitag, 14. April 2017

warum es ein ganzes Dorf braucht

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen".
Ich stelle immer wieder fest, dass da schon sehr viel Wahres dran ist.

Gerade in der heutigen Zeit, wo es kaum mehr Großfamilien gibt, in denen mehrere Generationen quasi unter einem Dach - oder doch zumindest auf engem Raum - zusammenleben, fällt immer mehr auf, wie dringend man eigentlich als Mutter und Vater auf die Hilfe anderer angewiesen ist.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass zwei Omas in unserer Nähe leben, die den Kindern auch sehr liebevoll verbunden sind. Wir haben Geschwister und Freunde, die alle auch mal nach den Kindern sehen können.
Wenn es für uns Eltern mal schwierig ist - sei es, weil wir arbeitstechnisch (zu) viel zu tun haben oder dass es einfach mal mit einem der Kinder hoch her geht (wer kennt das nicht, die Zeiten, wo es mit einem Kind einfach mal hakt, weil man sich nur noch reibt) - können wir es organisieren, dass wir Zeit für uns und die Kinder Zeit ohne uns bekommen. Das tut immer wieder mal gut und ist für beide Seiten wichtig.
Außerdem lernen unsere Kinder dadurch auch andere Werte und andere Sichtweisen kennen. Sie lernen, dass nicht in jeder Familie und bei jeder Bezugsperson die gleichen Regeln gelten - dass es aber trotzdem eigentlich immer irgendwelche Regeln und Grenzen gibt.
Sie lernen, mit verschiedenen Menschen umzugehen und sie haben die Gewissheit, dass sie von vielen Menschen geliebt werden.
All das ist unglaublich wertvoll und wichtig für ein Kind. Und für die Eltern.
Leider können mittlerweile viele nicht mehr auf diesen Rückhalt bauen. Viele Familien - oder noch schwieriger: Alleinerziehende - sind immer auf sich gestellt, haben immer die volle Verantwortung für ihre Kinder, können nichts an andere abgeben. Manche zerbrechen an diesem Druck, manche versuchen, ihn durch lange Buchungszeiten in Kindergärten und Krippen zu minimieren, wieder andere schaffen es, sich ganz alleine durchzubeißen.
Angenehmer ist es auf jeden Fall, wenn man die Möglichkeit und damit auch die Wahl hat.
Das ist die eine Seite des Dorfes.

Dann gibt es aber auch noch die andere Seite des Dorfes. Die Menschen rund um das Kind - und da gehören wir alle dazu - haben nämlich auch noch die Aufgabe, den Schutz des Kindes sicherzustellen. Und hier übernimmt das sprichwörtliche Dorf (im wahren Leben wir alle) eine ganz wichtige Aufgabe. Während nämlich erst mal alle Eltern für sich entscheiden, wie sie ihr  Kinder erziehen stoßen wir hier an die Grenze der Elternentscheidung und an die Verantwortung der Gesamtgesellschaft. Wenn es darum geht, dass Kinder verletzt, vernachlässigt oder misshandelt werden, dann dürfen wir nicht still sein. Wir dürfen uns nicht darauf zurück ziehen, dass es ja nicht unsere Kinder sind und die Eltern das entscheiden müssen. Wir müssen den Mut haben, uns schützend vor die Kinder zu stellen. Weil  die Kinder sich selbst nicht schützen können und darum auf uns als das Dorf angewiesen sind.
Wie wir das machen ist egal. Ob wir mit den Eltern persönlich sprechen, ob wir unsere Hilfe anbieten, ob wir das Jugendamt informieren, ob wir den Kindergarten oder die Großeltern ansprechen - alles egal. Hauptsache wir sehen nicht tatenlos zu, wie Kindern weh getan wird. Und Hauptsache, wir bleiben dran und beobachten, wie sich das Ganze weiterentwickelt. 

Denn eines müssen wir uns alle klar machen: Der Schutz von Kindern ist unser aller Aufgabe. Diese Verantwortung kann keiner von sich weisen.
Wir alle leben nämlich in dem Dorf. Darauf müssen sich die Kinder verlassen können.

Dienstag, 7. März 2017

Midlife-Crisis oder: Es tickt...

Ich geh ja nun schon auf die 40 zu. Mit relativ großen Schritten. Aufgrund der präsenilen Bettflucht (oder einfach eines verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmusses) kann ich selten vor 23 Uhr schlafen. In der Zeit chatte ich dann oft mit vielen Menschen, die ich leider live nicht so oft sehen kann, weil sie ziemlich weit weg wohnen. Gestern war's meine Freundin in Hohenpeißenberg. Die hat den 40er ein paar Monate vor mir, also schon erledigt. Und irgendwie kamen wir auf das Thema "Midlife-Crisis". Da hab ich dann mal angefangen, zu überlegen...
Was ist denn die Midlife-Crisis eigentlich?
Für mich ist das, wenn man anfängt, komische Dinge zu tun, nur um "noch jung" oder "wieder jung" zu sein. "Midlife-Crisis" ist auch immer so ein bisschen negativ konnotiert. Wenn ich an Menschen in der Midlife-Crisis denke, verzieht sich mein Mund ganz automatisch zu einem leicht sarkastischen Grinsen. 
Die Menschen in der Midlife-Crisis benehmen sich immer ein bisschen seltsam, tun so, als wären sie etwas, das sie nicht (mehr) sind, wollen anders sein, als sie sind usw. Oft macht man sich damit ein bisschen lächerlich (finde ich zumindest). 
Männer in der Midlife-Crisis beginnen plötzlich damit, ins Fitnessstudio oder auf die Sonnenbank zu gehen, Frauen gehen ins Solarium oder ernähren sich plötzlich vegan. Man läuft den Jakobsweg, fährt Fahrrad oder Motorrad statt Auto oder macht VHS-Kurse, um sich selbst zu finden.
Von anderen wird man gerne mal dafür belächelt.
Ich?  Nein, ich bin/war natürlich nicht in der Midlife-Crisis. Das weise ich selbstverständlich weit von mir - so wie jeder andere auch. Hört sich ja auch ein bisschen nach Torschuss-Panik an. 
Aber insgeheim muss ich doch zugeben, dass auch ich manchmal das leise Ticken der Uhr höre. Ab und zu wird mir bewusst, dass in meinem Stundenglas oben nicht mehr so viel Sand ist wie ich vielleicht gerne hätte. Manchmal habe ich das Gefühl, Dinge "jetzt noch" anfangen zu müssen - oder sie vielleicht tatsächlich nie mehr zu erreichen. Das eine oder andere Mal trete ich in fiese Fallen, in die ich als Kind schon getreten bin. Ich sehne mich zum Beispiel wieder vermehrt danach, "dazu" zu gehören. Freunde zu haben. Und wenn ich nicht aufpasse, passiert es, dass ich mich für diese vermeintlichen Freundschaften zum Affen mache und Dinge mit mir machen lasse, die ich nicht mit mir machen lassen möchte. Zum Glück passe ich aber meistens auf. Und dann komme ich - auch wenns nicht immer leicht ist - aus der Schleife auch wieder raus.
Insgesamt glaube ich allerdings, dass ich vergleichsweise wenig Lebenskrise habe. 
Ich habe nicht das Bedürfnis, eine andere sein zu müssen. Ich bin so, wie ich bin und das bin ich meistens auch ganz gerne. Ich muss nichts hinterher-hecheln. Ich bin zufrieden mit dem, was ich in meinem Leben bislang so erreicht habe und wie es läuft. Und ich habe einen Partner, der mich sieht - und mag, was er sieht (zumindest meistens ;-) ) Ich glaube beinahe, dass das tatsächlich der wichtigste Grund ist, warum ich nicht kriseln muss. Ich werde gesehen - von meinem Mann, von meinen Freunden, von Menschen, die mir wichtig sind. Deshalb brauche ich auch keine tollen Autos oder schicke Nägel. Deshalb kann ich weiterhin ungeliftet und ungeschminkt herumlaufen und sehne mich nicht nach großen Reisen. Weil ich auch ohne diese Dinge bereits wahrgenommen werde.
Und dafür bin ich äußerst dankbar.

Mein Aufruf für heute ist daher: Gebt den Menschen, die Euch wichtig sind, das Gefühl, gesehen zu werden. Denn das ist tatsächlich ein Grundbedürfnis jedes Menschen: Wahrgenommen werden als das, was man ist. 
Und schon tickt die Uhr im Hintergrund ein bisschen leiser....