Freitag, 28. April 2017

ganz schön schlauer Kerl...

... der Herr Konfuzius.
Wenn man dem Internet trauen kann (klar, kann man doch, oder?) dann hat der nämlich mal gesagt:

"Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben."

Recht hat er, der Konfuzius. Allerdings scheint da in unserer Zeit bei vielen was durcheinander gekommen zu sein. Irgendwie hab ich das Gefühl, das "von sich fordern" ist out, dafür ist das "von anderen erwarten" unglaublich in.
Ich hab ja beruflich und privat unglaublich gerne mit Menschen zu tun. Und wenn ich die Begegnungen der letzten Zeit in meinem Kopf nochmal Revue passieren lasse, dann komme ich ziemlich häufig an den Punkt, dass Menschen genau wissen, was sie von wem erwarten können. 
Man kann vom Staat erwarten, dass er einen finanziert ohne dass er dafür etwas erwartet. 
Man kann erwarten, dass man einen Kindergartenplatz bis nachmittags um fünf bekommt, weil man einmal im Monat so lange arbeiten muss. 
Man kann erwarten, dass die Oma bereitwillig jederzeit die Kinder nimmt, damit man selbst in Ruhe einkaufen kann.
Man kann erwarten, dass jemand anders für einen einen Kuchen bäckt.
Man kann erwarten, dass die Krankenkasse/das Amt akzeptiert, dass ich die Regeln beuge oder breche, ohne mich rauszuwerfen (schließlich tun alle anderen das ja auch...)
Man kann erwarten, dass es kein Problem ist, wenn man Termine 10 Minuten vorher absagt, weil es kann ja schließlich mal was dazwischen kommen (Termine bei der Nail-Designerin zum Beispiel)
....
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Man erwartet einfach. Egal was. Hauptsache von anderen.
All diesen Punkten ist nämlich eines gemeinsam: Man erwartet etwas von ANDEREN. Selbst ist man fein raus. Es sind nämlich automatisch auch die anderen Schuld, wenn etwas nicht so klappt, wie ich mir das vorstelle. Praktisch. Dagegen sind viele nicht mehr bereit, auch nur den kleinen Finger zu rühren und schmuggeln sich aus anstrengenden Situationen heraus, indem sie anderen die Verantwortung zuschieben.

Nur leider funktioniert das Leben so nicht. Zumindest meines nicht. (Vielleicht mache ich ja auch was falsch.)
Man kann nicht nur von anderen erwarten. Je mehr man nämlich von anderen erwartet, desto größer wird wahrscheinlich irgendwann mal die Enttäuschung sein.
Wenn ich zurück denke, dann basieren die großen Enttäuschungen in meinem Leben nicht darauf, dass andere gemein zu mir waren oder sich falsch verhalten haben. Nein, sie basieren darauf, dass ich zu viel erwartet habe.
Ich habe erwartet, dass andere Menschen irgendetwas tun. Oder ich habe erwartet, dass Menschen so denken und handeln, wie ich das tun würde. Aber andere Menschen sind nun mal andere Menschen. Die denken und handeln so, wie SIE es tun und tun auch nicht zwangsläufig das, was ich gerne hätte. Und das ist auch in Ordnung. Jetzt ist die Frage: Darf ich erwarten, dass sie lernen, so zu denken und handeln, wie ich mir das vorstelle. Oder muss ich lernen, zu ertragen, dass sie anders denken und handeln? Auch wenn das Konsequenzen nach sich zieht, die ich mir nicht wünsche? Dass ich selbst Schritte machen muss zum Beispiel. Oder dass sich Wege trennen. Oder dass ich meine Wünsche und Bedürfnisse klar äußern muss (obwohl ich doch eigentlich erwarten würde, dass mein Gegenüber weiß, was ich will und brauche).
Wenn man aus dieser Erwartungsschiene rauskommt wird das Leben vielleicht etwas anstrengender - aber insgesamt auch wesentlich selbstverantwortlicher. Weil ich nicht immer darauf warten muss, dass andere etwas tun.
Außerdem wird man selbst weniger verletzlich. Letztlich kann ich nämlich niemanden dazu zwingen, etwas zu tun. Wenn ich von jemandem einen Kuchen erwarte, und er macht keinen, dann werde ich enttäuscht sein, werde traurig oder wütend sein. Wenn ich jemanden ergebnisoffen frage, ob er mir einen Kuchen machen würde, ohne die Erwartung zu haben, dass er es tut, kann ich nur beschenkt aus der Situation gehen, wenn mir der Kuchen zugesagt wird. Aber ich habe nichts verloren und muss nicht traurig oder sauer sein, wenn mir die Bitte aus welchen Gründen auch immer abgeschlagen wird.
Und sind wir ehrlich: Wenn wir den Spieß umdrehen: Wenn man das Gefühl hat, etwas wird von einem erwartet, hat man doch schon überhaupt keine Lust mehr darauf, oder?

Kommen wir zurück zum unglaublich weisen Herrn aus China. Würden wir mehr von uns selbst als von anderen fordern und erwarten, würde uns mancher Ärger, viele Enttäuschungen, einiges an Zorn und Wut und sicherlich auch ein bisschen Traurigkeit erspart bleiben.
In diesem Sinne: Überlegt ganz genau, was ihr von wem erwarten könnt und wo ihr selbst gefragt seid.


Freitag, 14. April 2017

warum es ein ganzes Dorf braucht

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen".
Ich stelle immer wieder fest, dass da schon sehr viel Wahres dran ist.

Gerade in der heutigen Zeit, wo es kaum mehr Großfamilien gibt, in denen mehrere Generationen quasi unter einem Dach - oder doch zumindest auf engem Raum - zusammenleben, fällt immer mehr auf, wie dringend man eigentlich als Mutter und Vater auf die Hilfe anderer angewiesen ist.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass zwei Omas in unserer Nähe leben, die den Kindern auch sehr liebevoll verbunden sind. Wir haben Geschwister und Freunde, die alle auch mal nach den Kindern sehen können.
Wenn es für uns Eltern mal schwierig ist - sei es, weil wir arbeitstechnisch (zu) viel zu tun haben oder dass es einfach mal mit einem der Kinder hoch her geht (wer kennt das nicht, die Zeiten, wo es mit einem Kind einfach mal hakt, weil man sich nur noch reibt) - können wir es organisieren, dass wir Zeit für uns und die Kinder Zeit ohne uns bekommen. Das tut immer wieder mal gut und ist für beide Seiten wichtig.
Außerdem lernen unsere Kinder dadurch auch andere Werte und andere Sichtweisen kennen. Sie lernen, dass nicht in jeder Familie und bei jeder Bezugsperson die gleichen Regeln gelten - dass es aber trotzdem eigentlich immer irgendwelche Regeln und Grenzen gibt.
Sie lernen, mit verschiedenen Menschen umzugehen und sie haben die Gewissheit, dass sie von vielen Menschen geliebt werden.
All das ist unglaublich wertvoll und wichtig für ein Kind. Und für die Eltern.
Leider können mittlerweile viele nicht mehr auf diesen Rückhalt bauen. Viele Familien - oder noch schwieriger: Alleinerziehende - sind immer auf sich gestellt, haben immer die volle Verantwortung für ihre Kinder, können nichts an andere abgeben. Manche zerbrechen an diesem Druck, manche versuchen, ihn durch lange Buchungszeiten in Kindergärten und Krippen zu minimieren, wieder andere schaffen es, sich ganz alleine durchzubeißen.
Angenehmer ist es auf jeden Fall, wenn man die Möglichkeit und damit auch die Wahl hat.
Das ist die eine Seite des Dorfes.

Dann gibt es aber auch noch die andere Seite des Dorfes. Die Menschen rund um das Kind - und da gehören wir alle dazu - haben nämlich auch noch die Aufgabe, den Schutz des Kindes sicherzustellen. Und hier übernimmt das sprichwörtliche Dorf (im wahren Leben wir alle) eine ganz wichtige Aufgabe. Während nämlich erst mal alle Eltern für sich entscheiden, wie sie ihr  Kinder erziehen stoßen wir hier an die Grenze der Elternentscheidung und an die Verantwortung der Gesamtgesellschaft. Wenn es darum geht, dass Kinder verletzt, vernachlässigt oder misshandelt werden, dann dürfen wir nicht still sein. Wir dürfen uns nicht darauf zurück ziehen, dass es ja nicht unsere Kinder sind und die Eltern das entscheiden müssen. Wir müssen den Mut haben, uns schützend vor die Kinder zu stellen. Weil  die Kinder sich selbst nicht schützen können und darum auf uns als das Dorf angewiesen sind.
Wie wir das machen ist egal. Ob wir mit den Eltern persönlich sprechen, ob wir unsere Hilfe anbieten, ob wir das Jugendamt informieren, ob wir den Kindergarten oder die Großeltern ansprechen - alles egal. Hauptsache wir sehen nicht tatenlos zu, wie Kindern weh getan wird. Und Hauptsache, wir bleiben dran und beobachten, wie sich das Ganze weiterentwickelt. 

Denn eines müssen wir uns alle klar machen: Der Schutz von Kindern ist unser aller Aufgabe. Diese Verantwortung kann keiner von sich weisen.
Wir alle leben nämlich in dem Dorf. Darauf müssen sich die Kinder verlassen können.