Aber ganz ehrlich: Der Wahnsinn treibt langsam seltsame Blüten, oder?
Ich verstehe ja, dass Eltern-sein nicht einfach ist.

Soweit so gut. Das war wahrscheinlich auch in früheren Generationen so.
Aber gerade der Fördergedanke zeigt manchmal wirklich komische Auswüchse.
Da gibt es Englischunterricht für Kleinkinder - aber im Kindergarten legt man wert darauf, dass ja kein Dialekt gesprochen wird. Dabei ist Dialekt nachweislich gut für späteres Sprachenlernen.
Da werden Kinder vom Turnen zum Ballett zum Reitunterricht und zum Schwimmen chauffiert - aber auf dem Spielplatz fällt man fast in Ohnmacht, wenn das Kind versucht, auf ein Klettergerüst zu kommen. Bäume werden nach ihren dekorativen (und ungiftigen) Gesichtspunkten ausgewählt, nicht danach, ob sie bekletterbar sind, denn auf Bäume klettern ist verboten.

Vom Kindergarten wird verlangt, dass Kinder dort gezielt Zahlen und Buchstaben lernen - aber beim Tischdecken für die Familie, was ja das Zahlenverständnis ganz nebenbei schulen würde, da darf kein Kind mithelfen.
Statt mit den Kurzen draußen durch Pfützen zu hüpfen oder Fußball zu spielen, bekommen sie einen Fernseher ins Zimmer und am Besten noch eine Konsole dazu. Um wirklich sicher zu stellen, dass ich als Elternteil nicht mehr in Kontakt gehen muss lasse ich das liebe Kleine auch noch im Zimmer essen...
Ich habe es auch schon erlebt, dass Eltern und Kind miteinander chatten, obwohl sie sich nur in zwei angrenzenden Zimmern befinden. Angeblich, um dadurch die Rechtschreibung zu verbessern...

Ich finde es auch nicht schlimm, wenn Kinder spielerisch Englisch lernen.
Wobei mir allerdings die Haare zu Berge stehen ist, wenn Kinder schon mehr Programm haben als ein Vollzeitberufstätiger. Wenn keine Zeit mehr zum Spielen bleibt, weil "Bildung" vorgeht. Und wenn die Verantwortung für das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ausgelagert wird.Tatsache ist: Erziehung und Bildung ist der Job von uns Eltern, das kann und darf man nicht outsourcen. Natürlich gibt es Dinge, die mein Kind von mir nicht lernen kann. Den Umgang mit anderen Kindern zum Beispiel. Und dafür sind Einrichtungen wie Kindergarten und Schule auch wirklich Gold wert.

Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ich mit meinem Kind in Kontakt bin, dass ich in Beziehung bin. Dass ich nicht 5 Sachen nebenbei mache, nicht ständig am PC oder Handy hänge, sondern geistig DA bin. Dass ich mich als Elternteil positioniere, klar bin und die Verantwortung übernehme. Verantwortung für mein Kind, meine Entscheidungen, ... Und zwar auch dann, wenn es mal anstrengend ist. Egal, ob ein trotzdender 2jähriger einen bühnenreifen Rumpelstilzchenanfall hinlegt oder ein rotziger 13jähriger versucht, mich zu provozieren.
Mein Aufruf für heute ist also:
Stoppt das Auslagern von Verantwortung, gebt das Elternsein nicht aus der Hand, geht in Kontakt mit Euren Kindern - auch wenn es manchmal verdammt anstrengend ist. Es ist es wirklich wert!
Und lasst Eure Kinder raus, traut ihnen was zu. Was ist wohl mehr wert? Eine Jeans, die kaputt oder dreckig ist oder der Triumph, den Baum endlich bestiegen zu haben? Woran wachsen unsere Kinder? An sauberen Klamotten und der Fähigkeit, die Titelmelodie von 17 Fernsehsendungen zu erkennen?
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