Samstag, 7. Mai 2016

RIP

"Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist."

Dieser Spruch von Kafka beschreibt exakt, wie es mir gerade geht.

Eine Freundin von mir, die ich bei meiner ersten Chemo kennengelernt habe, ist letzte Woche gestorben.
Liebe Marion,
seit ich gehört habe, dass Du wieder Hirnmetastasen hast, dass Du in München zur Cyberknife-Behandlung bist und eine neue Chemo bekommst - seit diesem Tag habe ich immer wieder mit ungutem Gefühl im Bauch die Todesanzeigen in der Augsburger Allgemeinen durchgeschaut und war jedes Mal erleichtert, Deinen Namen nicht dort zu finden. Dennoch wuchs meine Angst und meine Beklemmung immer mehr, als Du Dich mittlerweile 2 Monate lang nicht gemeldet hast. Letzte Woche habe ich eine Postkarte an Dich fertig gemacht und wusste auf einmal Deine Adresse nicht mehr auswendig. Deine Adresse, die ich seit beinahe 3 Jahren weiß, die ich im Schlaf kenne, die ich immer wieder angefahren habe - sie fiel mir einfach nicht ein. Mein Handy verweigerte an diesem Tag jegliche Internetverbindung und da ich lange arbeiten musste, konnte ich nicht zu Hause nachschauen - sonst wäre die Karte in den Briefkasten gewandert. So liegt sie geschrieben und mit löcheriger Adresse in meinem Kalender...
Einen Tag später habe ich durch Deine Tochter die Nachricht Deines Todes erhalten. Bereits am Dienstag den 26.04.2016 bist Du gestorben. Wie ich von Diana erfahren habe, durftest Du zumindest ruhig einschlafen und musstest Dir diesen allerletzten Schritt nicht erkämpfen.

Ich bin froh, dass Du es letztes Jahr noch geschafft hast, nach Altötting zu fahren. Ich weiß, dass das einer Deiner Wünsche war. Ein Wunsch von der Liste der Dinge, die man noch tun will, bevor man stirbt. Wenigstens ein Wunsch, den Du Dir noch erfüllen konntest. Und gleichzeitig ist es eine Mahnung an uns alle, nichts auf die lange Bank zu schieben. Unser Leben im Jetzt und Hier zu leben, Träume wann immer möglich zu erfüllen. Den Rosenkranz, den Du mir von dort mitgebracht hast, habe ich immer im Auto dabei - damit er mich beschützt, wie Du es Dir gewünscht hast, als Du ihn mir geschenkt hast.

Weil Du Gabalier so gerne gemocht hast, verlinke ich hier Dein Lieblingslied von ihm.

Liebe Marion, danke für die Zeit mit Dir, für das Lachen und die Gespräche. Für jeden Kaffee, den wir miteinander getrunken haben. Für die seelische und moralische Unterstützung während unserer gemeinsamen Chemozeit, die für mich nach 6 Zyklen zu Ende war während Du immer noch weiter behandelt wurdest.
Ich hätte Dir noch viele Jahre mit Deiner Familie und Deinen Enkeln gegönnt. Eine große Geburtstagsparty, die Hochzeit Deiner Kinder - all das, was Du Dir erträumt und erhofft hast.
Ich hätte Dich gerne noch einmal besucht, hätte Dich in den Arm genommen. Du wolltest zum Schluss keinen Kontakt mehr, ich vermute, es hätte Dich zu viel Kraft gekostet. Mir tut es leid, dass wir uns nicht verabschieden konnten, aber die Dankbarkeit dafür, Dich gekannt zu haben, überwiegt.

Mach's gut.


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