Samstag, 1. Oktober 2016

Die Zeit rennt

Die Zeit rennt und rennt und rennt.
Jetzt sind es schon 3 Jahre.
3 stürmische Jahre voller Leben, Veränderung, Neuanfängen aber auch Enden.
Ich schreibe hier nur noch sehr selten, weil sonst in meinem Leben so viel los ist, dass die Krankheit, das Jahr im Kampf dagegen und dieser Blog oft völlig ins Hintertreffen geraten.
Und das ist gut so.
Nur manchmal gibt es Phasen, in denen ich wieder viel nachdenke über "damals" und über Krebs.
Natürlich kommt das besonders dann vor, wenn jemand an Krebs stirbt. Ich habe früher nicht so intensiv mit den Angehörigen gelitten wie jetzt. Weil ein Teil meines Kopfes sagt: "Stell Dir vor, wie sich Deine Kinder, Dein Mann jetzt fühlen würden" - und die Vorstellung macht mich immer noch weinen.
Dieses Jahr denke ich tatsächlich auch an ein "um diese Zeit vor 3 Jahren". Das hatte ich bisher noch nicht. Dieses Jahr ganz schlimm.
Vielleicht, weil ich das erste Jahr für Therapie und das zweite Jahr für Normalität und das Ankommen in der selbigen gebraucht habe.
Vielleicht auch, weil eine liebe Freundin aus der Krebszeit zur Zeit wieder gesundheitliche Probleme hat, die auch lebensbedrohlich sein könnten und mir das vor Augen führt, wie kostbar die Gesundheit ist und das Leben.
Vielleicht, weil mein Leben mittlerweile wieder so normal und lebendig und voll geworden ist, dass dieses Jahr der Krankheit im Nebel versinkt und langsam aber sicher beginnt, unwirklich zu werden. Natürlich erzählen die Narben auf dem Körper davon, aber wenn ich nicht an mir hinuntersehe, dann löst sich das Jahr in meinem Kopf in Rauch auf und entschwindet.
Mir fehlen bereits viele Momente aus diesem Jahr. Ich kann mich an einiges nicht erinnern. Ich könnte nicht sagen, wie Georgs Geburtstag oder Silvester 2013 waren, ich weiß nicht mehr, was ich an Sofies Geburtstag gemacht habe - alles im Nebel.
Aber besser es fehlt ein Jahr in meiner Erinnerung als es fehlen 50 Jahre Leben.

Heute hatte ich das Bedürfnis, mal wieder bewusst zu lesen, was ich "damals" geschrieben habe. Ich musste mir ein paar Tränchen verdrücken (na gut, ich hab sie mir nicht verdrückt, sondern ein bisschen geweint) und jetzt geht es mir besser.
Ich bin dankbar. Dankbar für so vieles:

  • dafür, dass ich wieder voll im Leben stehe
  • dafür, die Fotografie für mich gefunden zu haben (www.monsterlabel.de/click)
  • für eine neue Chance in einem neuen berufliche Bereich
  • dafür, in meinem "alten" Job wieder so gut angekommen zu sein und mich dort immer noch wohl zu fühlen
  • dafür, dass in meinem Tagebuch oft der Bereich mit den negativen Erlebnissen am Tag leer bleibt
  • für einen wunderschönen, lebendigen Sommer und einen traumhaften Herbst
  • für meine Kreativität, die sich immer mehr in gute Kanäle locken lässt
  • dafür, dass seit 3 Jahren alle Nachsorgeuntersuchungen ohne Befund sind
und ganz besonders und unendlich dankbar bin ich
  • für meine Familie, die mit mir durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist ohne zu bröckeln
  • für meinen Mann, der mich immer noch anfassen kann und der mich nach wie vor liebt
  • für alle in meinem Umfeld, die geblieben sind, wo andere gegangen sind
  • für diejenigen, die ich überhaupt erst in dieser Zeit kennengelernt habe und die mir fehlen würden, wenn ich sie nicht hätte.
Ich schließe heute mit den Worten von Max Frisch:
"Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen."


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