Freitag, 12. Dezember 2014

Gott und der Glaube und die Welt

Ich habe mich heute mit jemandem unterhalten, der ein ordentliches Päckchen zu tragen hat - wie ja ziemlich viele Menschen. In dem Gespräch kamen wir auch auf den Glauben zu sprechen und er erzählte mir, dass er sehr gläubig sei und diese Prüfung von Gott annehme.
Über diesen Satz denke ich jetzt schon die ganze Zeit nach. 
Ich bin durchaus auch ein gläubiger Mensch. Ich glaube an Gott. Nicht an die Kirche, aber an ein höheres Wesen, eine höhere Macht. Ich finde es beruhigend, zu glauben, dass es "über mir" noch "etwas" gibt, dass ich als Mensch nicht alleine bin.Mir hilft die Zwiesprache mit Gott, mich zu fokussieren, meine Gedanken zu sortieren, mich zu sammeln. In Zeiten großer Angst oder starker Anspannung schicke ich Stoßgebete zum Himmel und nicht wenige davon wurden auch "beantwortet". Mag sein, dass die jeweiligen Ereignisse auch ohne einen Gott eingetreten wären - mag auch nicht sein. Wer weiß das schon? Unabhängig davon, hilft es mir in der jeweiligen Situation, nicht völlig zu verzweifeln.
Mir gefällt auch das Konzept der Religion. Weil ich Religion als Regelwerk verstehe, das die Grundsätze des menschlichen Zusammenlebens klar definiert. Und da denke ich, dass die christliche Religion auch nicht schlechter ist, als andere. Grundsätze wie Nächstenliebe, Hilfe für Notleidende und das Gebot nicht zu stehlen oder gar zu töten sind durchaus hilfreich für ein gutes Zusammenleben. Auch die Aufforderung, nicht sich selbst als Zentrum allen irdischen Seins zu sehen, sondern etwas anderem, Wichtigeren - eben diesem "höheren Wesen" diesen Platz zu überlassen hat viel für sich.
Mag sein, dass mich die Tatsache, dass ich glaube in der heutigen Zeit schon als extrem altmodisch oder zurückgeblieben kennzeichnet. Wenn dem so ist, bin ich wohl altmodisch. Und ich stehe dazu.
Ich versuche, ein guter Christ zu sein. Was mich nicht unbedingt zu einem guten Katholiken macht. Ich brauche zum Glauben weder eine Kirche noch eine Messe. Ich gehe gerne in Kirchen, ich genieße die Ruhe und manchmal auch die Akkustik in Kirchen, ich bewundere die Schaffenskraft und die Kunstfertigkeit der Menschen und Künstler, die diese Bauwerke geschaffen haben - aber ich fühle mich Gott dort nicht näher als im Freien unter einem Baum. 
Aber zurück zum Anfang:
Ich glaube an Gott, aber ich glaube nicht, dass er mich mit meiner Erkrankung prüfen wollte. Wenn Gott mich prüfen wollte, würde er mir jeden Tag zwei Zeugen Jehovas vorbeischicken, die mit mir über meine Glauben sprechen wollten... Ich glaube nicht, dass Gott sich überlegt, wie er uns traktieren und prüfen kann. Welchen Sinn sollte das auch haben? Außer er wäre tatsächlich ein gelangweilter alter Mann, der in der Ewigkeit sitzt und nichts Besseres zu tun hat, als kleine Menschen mit möglichst fiesen Dingen zu quälen, dann könnte man sich vielleicht einen Sinn darin vorstellen. Aber sonst? Und wer glaubt an solch einen Gott?
Ich glaube daran, dass mir mein Leben geschenkt wurde. Mit allem was darin gut und was darin nicht so rosig ist. Ich glaube, dass das Leben immer Licht- und Schattenseiten hat. Und ich glaube, dass niemand ohne die Schattenseiten durchs Leben kommt.
Ich glaube, dass jeder von uns sein Päckchen zu tragen hat - manche ein offensichtlicheres und manche eines, das man von außen nicht sehen kann - und trotzdem ist es da. Ich kann mir ein Leben ohne Stolpersteine nicht vorstellen - und wenn ich versuche, scheint es mir unsäglich langweilig. Außerdem ist meine Erfahrung, dass Menschen, die ein vermeintlich kleines Päckchen bei sich haben, nicht zwangsläufig glücklicher sind als die mit den großen, schweren Brocken.
So, das war jetzt viel Glauben - aber das passt ja zur Vorweihnachtszeit.
Ich wünsche Euch ebensoviel Glauben. Glauben an Euch, an das Gute im Leben und daran, dass es Menschen gibt, die es gut mit Euch meinen. 
Obwohl heute erst Freitag ist war das jetzt mein Wort zum Sonntag. Und zum Schluss noch ein Gedicht, das ihr alle kennt, das aber jetzt so gut hier her passt:

Spuren im Sand
Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel
erstrahlten, Streiflichtern gleich,
Bilder aus meinem Leben.
Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.

Als das letzte Bild an meinen Augen
vorübergezogen war, blickte ich zurück.
Ich erschrak, als ich entdeckte,daß an vielen Stellen meines Lebensweges
nur eine Spur zu sehen war.
Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.

Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen,
da hast du mir versprochen,
auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich,
daß in den schwersten Zeiten meines Lebens
nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen,
als ich dich am meisten brauchte?"

Da antwortete er: "Mein liebes Kind,
ich liebe dich und werde dich nie allein lassen,
erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."

Margaret Fishback Powers

Copyright © 1964 Margaret Fishback Powers
Übersetzt von Eva-Maria Busch
Copyright © der deutschen Übersetzung 1996 Brunnen Verlag Gießen. www.brunnen-verlag.de


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