Dienstag, 22. Juli 2014

lauft doch erst Mal in meinen Schuhen

Es gibt ja immer wieder Leute, die meinen sie wüssten, wie das Leben so läuft. Oder wie es laufen sollte. Oder wie man es zu leben hat. Dabei vergessen sie nur leider oft, dass das vielleicht für ihr Leben so gelten mag, aber dass das deshalb noch lange nicht auf alle anderen Leben zu übertragen ist.
Sie gehen einfach mal davon aus, dass die Wertigkeiten, die sie in ihrem Leben ansetzen für alle gelten und dass Menschen, die anders leben automatisch falsch liegen bzw. etwas falsch machen.
Prinzipiell darf das wegen mir gerne jeder denken. Solange er es für sich behält.
Denn wer gibt vor, welche Wertigkeiten richtig sind und welche nicht?
Bei mir sieht es z. B. immer chaotisch aus. Es ist selten wirklich aufgeräumt. Man kann aber immer laufen, ohne am Boden festzukleben, der Tisch klebt auch nur selten (außer, das Apfelsaft-Massaker war unbemerkt oder meine Tochter schwelgt in Bastelarbeiten), meine Kinder haben täglich frische, halbwegs saubere Klamotten an, sie kriegen regelmäßig selbstgekochte und halbwegs ausgewogene Mahlzeiten ...
Kurz: Ein relativ normales Leben in einem Haushalt mit 3 noch ziemlich kleinen Kindern.
Ja, andere Leute würden es vielleicht schaffen, dass die Küchen-Arbeitsplatte nicht mit Papieren, abgerissenen Knöpfen, abgelegten Stiften, Wasserbomben und anderen Dingen, die man nur kurz aus der Hand oder aus der Reichweite der Kinder legen muss, zulandet. Andere Leute würden es auch schaffen, dass im Gang nicht immer mindestens 5 Paar Schuhe rumliegen und 3 Jacken über dem Treppengeländer hängen, weil die Garderobe bereits voll ist. Ich bin mir auch sicher, dass es Menschen gibt, die es schaffen, dass die Decken auf dem Sofa immer zusammengelegt sind und die Kissen schön am Rand entlang liegen.
Ob sie das allerdings zu besseren Menschen macht, finde ich persönlich fraglich. Ob sie glücklicher sind auch. Zweifelsohne müssen sie sich seltener rechtfertigen und beleidigen lassen.
Ich gebe ehrlich zu, dass ich Hausarbeit nicht mag. Mir gibt es keinerlei Befriedigung, wenn die Küche blitzt und blinkt. Ich weiß sowieso, dass es spätestens morgen früh nach dem Frühstück wieder genauso aussehen wird wie vorher und dass die mühsam freigeschaufelte Eckbank spätestens morgen nachmittag wieder voller Stifte und Bastelpapier liegen wird.
Mir ist es auch einfach egal, wenn da was liegt - bis es ein kritisches Maß übersteigt und ich im Hau-Ruck-Verfahren aufräume.
Weil mir andere Sachen wichtiger sind. Mir war es heute wichtiger, mit meinem Sohn Wasserbomben zu füllen, ihm zu zeigen, wie man den Knoten macht und uns ein kleine Wasserschlacht zu liefern. Mir war es wichtiger, die Bügelperlenbilder meiner Tochter und deren Freundin zu bügeln. Mir war es wichtiger, mit meinem Sohn 5 Seiten der Wawuschels zu lesen. Mir wäre es auch wichtiger gewesen, mich selbst mal hinzusetzen und eine halbe Stunde ein gutes Buch zu lesen - aber dazu bin ich heute gar nicht gekommen. Und wer bitteschön darf jetzt beurteilen, ob das die richtige Prioritätenverteilung ist, oder nicht? Wer darf sich das Recht nehmen zu sagen Hausarbeit wäre wichtiger gewesen?
Was mich an dieser Geschichte so sehr ärgert, ist, dass nicht gemessen wird, was man macht, sondern immer nur gewertet wird, was man NICHT macht.
Ich bin maßgeblich daran beteiligt, dass aus unseren 3 Kindern selbständig denkende und mit moralischen Grundsätzen vertraute Menschen werden, die wissen, dass es Rechte und Pflichten gibt. Ich bin außerdem daran beteiligt, den Alltag von 5 Menschen unter einen Hut zu kriegen und dafür zu sorgen, dass alle ihre Termine (die Pflicht- und die Kür-) einhalten. Ich kümmere mich um die großen und kleinen Wehwehchen, sorge für so banale Dinge wie das Vorhandensein von Klopapier und Ketchup, wasche die >100 Kleidungsstücke, die bei uns pro Woche zusammenkommen und lege sie zusammen, lese Gute-Nacht-Geschichten, singe Gute-Nacht-Lieder, räume die Spülmaschine ein, sauge, habe heute knapp 30 Hemden und andere Dinge gebügelt und den Wocheneinkauf für uns erledigt .......
Es ist also gar nicht so, dass ich gar nichts tue den lieben langen Tag. Ich mache nur ein bisschen nicht so wie andere - und das verleitet manche Menschen dazu, mich zu verurteilen.
Daher jetzt nochmal für alle:
Zu mir kann jeder immer kommen und kriegt jederzeit einen Kaffee.
Wer Sorgen hat kann auch nachts um 3 kommen und wird immer noch ein offenes Ohr finden.
Wer sich bei mir nicht wohlfühlt, kann hingegen gerne wegbleiben. Es muss sich niemand quälen.
Sollte jemand nur zu mir kommen, um sein Ego aufzubessern, weil er mit dem sicheren Gefühl geht, besser zu sein, als ich, darf derjenige das gerne tun - solange er es für sich behält.
Wer meint, mir ins Knie schrauben zu müssen, wie unzulänglich ich bin und was ich alles nicht richtig mache, darf sich hingegen gerne die Luft dafür sparen. Ihr dürft Euch sicher sein, dass mir meine Schwächen ebenso bewusst sind, wie meine Stärken. Ich benötige diesbezüglich wirklich keine Hilfe zur Selbsterkenntnis.Sollte mich Eure Meinung diesbezüglich interessieren, werde ich Euch fragen. Sollte ich nicht gefragt haben, bin ich nicht an Meinungsäußerungen interessiert. Kehrt doch bitte vor Eurer Tür (wo wir es doch schon von der Sauberkeit und Ordnung haben) - wegen mir auch in Eurer Wohnung, in Eurem Haus, in Eurem Keller oder unter Eurem Tisch. Eigentlich ist mir ziemlich egal, wo ihr überall kehrt - nur macht nicht so nen Wirbel bei mir... Lebt Euer Leben, wie Ihr das wollt, aber lasst mir meines.
Kommt, wenn ihr gerne kommt und wenn ihr wegen uns kommt. Sonst: bleibt bitte zu Hause und lasst den Platz frei für die, die gerne kommen.
So einfach ist das.
Ach ja: Und falls ihr wirklich helfen wollt (Eurem Gegenüber und nicht nur Eurem eigenen Ego), dann fragt doch mal, wie's geht und hört dann auch zu. Schaut demjenigen in die Augen und findet raus, ob es wirklich "gut" ist, oder ob das nur die Standardantwort war. Nehmt Euch Zeit für jemanden und interessiert Euch für ihn statt ihm Eure Welt überzustülpen.
Ein langer und für meine Verhältnisse extrem.schlecht gelaunter Post - aber das muss auch mal sein.
In diesem Sinne: Gute Nacht.

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