Samstag, 12. März 2016

Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Vorsicht, das wird ein Erziehungs-Aufrege-Post....
Aber ganz ehrlich: Der Wahnsinn treibt langsam seltsame Blüten, oder?
Ich verstehe ja, dass Eltern-sein nicht einfach ist.
Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Sie wollen optimale Startbedingungen schaffen, sie wollen es bestmöglich fördern und ihm jede Chance offen halten. Viele wollen vielleicht auch noch, dass das Kind es mal besser hat, als man selbst.
Soweit so gut. Das war wahrscheinlich auch in früheren Generationen so.
Aber gerade der Fördergedanke zeigt manchmal wirklich komische Auswüchse.
Da gibt es Englischunterricht für Kleinkinder - aber im Kindergarten legt man wert darauf, dass ja kein Dialekt gesprochen wird. Dabei ist Dialekt nachweislich gut für späteres Sprachenlernen.
Da werden Kinder vom Turnen zum Ballett zum Reitunterricht und zum Schwimmen chauffiert - aber auf dem Spielplatz fällt man fast in Ohnmacht, wenn das Kind versucht, auf ein Klettergerüst zu kommen. Bäume werden nach ihren dekorativen (und ungiftigen) Gesichtspunkten ausgewählt, nicht danach, ob sie bekletterbar sind, denn auf Bäume klettern ist verboten.


Statt zu Hause gemeinsam zu singen und Fingerspiele zu machen bringt man sein Kind in die musikalische Früherziehung.
Vom Kindergarten wird verlangt, dass Kinder dort gezielt Zahlen und Buchstaben lernen - aber beim Tischdecken für die Familie, was ja das Zahlenverständnis ganz nebenbei schulen würde, da darf kein Kind mithelfen.
Statt mit den Kurzen draußen durch Pfützen zu hüpfen oder Fußball zu spielen, bekommen sie einen Fernseher ins Zimmer und am Besten noch eine Konsole dazu. Um wirklich sicher zu stellen, dass ich als Elternteil nicht mehr in Kontakt gehen muss lasse ich das liebe Kleine auch noch im Zimmer essen...
Ich habe es auch schon erlebt, dass Eltern und Kind miteinander chatten, obwohl sie sich nur in zwei angrenzenden Zimmern befinden. Angeblich, um dadurch die Rechtschreibung zu verbessern...

Bitte versteht mich nicht falsch. Meine Kinder dürfen auch Fernsehen. Ich weiß auch, dass es Situationen gibt, wo man sie dort parkt, weil man einfach selbst keine Kraft mehr hat und Pause braucht. Das ist auch völlig in Ordnung, WENN es a) einem klar ist, dass man sie dort parkt weil man selbst sich nicht mit Ihnen beschäftigen kann oder will und b) klar ist, dass das eine überschaubare Ausnahme bleibt.
Ich finde es auch nicht schlimm, wenn Kinder spielerisch Englisch lernen.
Wobei  mir allerdings die Haare zu Berge stehen ist, wenn Kinder schon mehr Programm haben als ein Vollzeitberufstätiger. Wenn keine Zeit mehr zum Spielen bleibt, weil "Bildung" vorgeht. Und wenn die Verantwortung für das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ausgelagert wird.Tatsache ist: Erziehung und Bildung ist der Job von uns Eltern, das kann und darf man nicht outsourcen. Natürlich gibt es Dinge, die mein Kind von mir nicht lernen kann. Den Umgang mit anderen Kindern zum Beispiel. Und dafür sind Einrichtungen wie Kindergarten und Schule auch wirklich Gold wert.
Aber das Elternhaus ist nichtsdestotrotz für die Vermittlung von Werten zuständig. Oder dafür, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass so ein junger Mensch die Welt entdecken und die notwendigen Fähigkeiten erlernen kann. Und die lernt ein gesundes Kind, indem man es im Alltag lernen lässt und nicht besser, indem es gezielte Lernkurse besucht.
Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ich mit meinem Kind in Kontakt bin, dass ich in Beziehung bin. Dass ich nicht 5 Sachen nebenbei mache, nicht ständig am PC oder Handy hänge, sondern geistig DA bin. Dass ich mich als Elternteil positioniere, klar bin und die Verantwortung übernehme. Verantwortung für mein Kind, meine Entscheidungen, ... Und zwar auch dann, wenn es mal anstrengend ist. Egal, ob ein trotzdender 2jähriger einen bühnenreifen Rumpelstilzchenanfall hinlegt oder ein rotziger 13jähriger versucht, mich zu provozieren.
Mein Aufruf für heute ist also:

Stoppt das Auslagern von Verantwortung, gebt das Elternsein nicht aus der Hand, geht in Kontakt mit Euren Kindern - auch wenn es manchmal verdammt anstrengend ist. Es ist es wirklich wert!
Und lasst Eure Kinder raus, traut ihnen was zu. Was ist wohl mehr wert? Eine Jeans, die kaputt oder dreckig ist oder der Triumph, den Baum endlich bestiegen zu haben? Woran wachsen unsere Kinder? An sauberen Klamotten und der Fähigkeit, die Titelmelodie von 17 Fernsehsendungen zu erkennen?


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