Mittwoch, 30. März 2016

von der Wertigkeit von Dingen

Heute geht's ums Thema: Was ist was wert? Und dabei denke ich noch gar nicht an solche Dinge wie das Leben oder die Freiheit, sondern ganz banal an Güter und Dienstleistungen.

Ich habe ja schon erzählt, dass ich ein Kleingewerbe habe, in dem ich Handarbeitssachen herstelle und fotografiere. Ich nähe, strickle und häkle (oder fotografiere eben) im Auftrag von anderen.  Ich mache das wirklich gerne, es bereitet mir (meistens) Freude und Genugtuung, etwas mit meinen Händen zu schaffen und kreativ zu sein.
Leider muss ich dabei mmer wieder feststellen, dass diese Arbeit von einigen nicht wertgeschätzt wird. Wenn ich für eine selbstgestrickte Mütze 18 Euro oder für eine genähte Jacke 40 Euro verlange ist das Interesse plötzlich nicht mehr so groß. Das selbe passiert, wenn ich für Fotos Geld verlange.
Das Argument ist dann oft: "Aber das ist doch selbstgemacht..." (man muss hier nicht sehr gut sehen, um das "nur" zwischen den Zeilen zu lesen).

Ich kann durchaus verstehen, dass viele gut auf ihr Geld aufpassen müssen. Allerdings kann ich nicht verstehen, dass man bereit ist, für seinen Marken-Pulli viel Geld hinzulegen (der oftmals in Bangladesch von netten kleinen Kindern produziert wird), man hier aber nicht bereit ist, für ein Einzelstück nach seinen eigenen Wünschen genauso viel zu investieren. Ich kann nicht begreifen, dass das dann "nur" selbstgemacht ist - und warum das weniger wert ist...

Nehmen wir das Beispiel einer Mütze:
  • Wenn ich eine Mütze mache, überlege ich mir, wie ich die Wünsche des Kunden am Besten umsetzen kann. Ich frage anfangs viel nach, um wirklich das zu machen, was der Kunde will. Soll die Mütze gestrickt, gehäkelt oder genäht werden, wie groß soll sie sein, welches Material wird bevorzugt, gibt es Musterwünsche, ...
  • Wenn ich mir in etwa vorstellen kann, was der Kunde will, dann fahre ich los und besorge das Material. Dazu muss ich im Optimalfall 8 km fahren, gerne aber auch 20 oder 25. 
  • Danach "produziere" ich die Mütze. Ich setze mich also hin und brauche im günstigsten Fall eine halbe Stunde, häufiger allerdings zwei bis 5 Stunden (oder bei aufwändigen Dingen noch länger) für die Mütze. Ein Kuscheltier zu häkeln oder stricken braucht übrigens wesentlich länger als eine Mütze, auch wenn es kleiner aussieht....
  • Dann muss ich noch aufräumen, ein Etikett schreiben (ich unterliege nämlich lustigerweise der Textilkennzeichnungspflicht), eine Rechnung schreiben, das Ganze verpacken und dann zur Post bringen (auch nochmal 3 km von hier).
Da ich ja nur ein Kleinunternehmer bin, gibt es für mich keine "Einkaufspreise". Ich brauche keinen ganzen Ballen Stoff, ich brauche normalerweise nur Kleinmengen, also keine Sonderpreise bei der Materialbeschaffung.
Da ich versuche, alles rechtlich korrekt zu machen, zahle ich brav meine Verpackungslizenz. Da ich außerdem unsere Umwelt ein bisschen schützen will, verwende ich gerne auch Verpackungen nochmal (die also schon jemand anderes lizenziert hatte) - aber egal.
Und dann kommt da ja auch noch das nette Finanzamt und die Herrschaften von der HWK - und die wollen auch nur mein Bestes...
Noch Fragen dazu, wie es zu dem Preis kommt, wenn ein Knäuel Wolle doch nur 1 Euro kostet (Wolle, die ich im Übrigen eher nicht verwende ;-) )

Nehmen wir das Fotografieren:
Es stimmt, ich habe den Beruf nicht erlernt. Ich mache es auch noch nicht seit 20 Jahren - deshalb stehe ich ja noch am Anfang und habe diesen Punkt erst jetzt mit in mein Repertoire aufgenommen. Nichtsdestotrotz habe ich Workshops besucht (und werde das auch weiterhin tun), ich habe Bücher gelesen und auf alle möglichen Weisen versucht, mich weiterzuentwickeln.
Auch wenn viele meinen, beim Fotografieren ginge es ja nur darum, ein bisschen zu knipsen.
Dröseln wir doch auch hier mal auf:

  • Ich bespreche vor, wann es günstig ist, was für Fotos gewünscht werden...
  • Ich mache mir Gedanken darüber, wo wir Fotos machen können - oft fahre ich auch vorher hin und schaue mir die "Location" genauer an, um Ideen zu entwickeln, was schöne Motive sein könnten.
  • Ich komme zum vereinbarten Ort und verbringe im Regelfall mindestens eine Stunde, oft auch zwei oder drei mit den Kunden, um möglichst entspannte Fotos zu machen (gerade wenn Kinder dabei sind, braucht man manchmal ein bisschen Zeit, bis alle warm werden und wir natürliche Fotos machen können).
  • Zum Fotografieren habe ich eine ordentliche Kamera und mehr als ein Objektiv, um die für die jeweiligen Gegebenheiten möglichst optimale Kombination verwenden zu können.
  • Wenn die Bilder im Kasten sind (ich also geknipst habe), fahre ich heim und lade die Bilder auf meinen PC.
  • Hier sichte ich die Bilder in einem (ordentlich erworbenen) Bildbearbeitungsprogramm, schmeiße alles, was verwackelt oder total unscharf ist raus, lösche Bilder, bei denen alle blöd schauen oder der Nachbar durchs Bild fährt.
    Besonders bei Tieraufnahmen (Pferde im Galopp oder Hunde in vollem Lauf) verwende ich gerne die Serienbildaufnahme. Wenn jemand Geld für Fotos von seinem Liebling ausgibt, will er auch, dass der auf den Fotos gut aussieht. Auch Pferde und Hunde zwinkern, manchmal schauen sie doof und nicht jede Laufphase ist gleich attraktiv auf Bildern. Hier muss man also die besten Bilder raussuchen. 
  • Die Bilder, die dann übrig bleiben werden genauer angeschaut und bearbeitet. Das ist die Arbeit, die früher in der Dunkelkammer geschah. Hier geht es darum, den Bildern genug Schärfe, Kontrast, Helligkeit, Farbe etc zu geben. Je besser das Ausgangsbild war, je mehr das bereits meinen eigenen Vorstellungen entspricht, desto weniger muss hier gemacht werden.
  • Danach stelle ich den Kunden die Fotos meist für eine Vorauswahl zur Verfügung. Es können noch Wünsche geäußert werden, ich versuche, diese zu erfüllen.
  • Falls vereinbart bestelle ich die Prints, ansonsten brenne ich die Daten auf CD.
  • Den Datenträger (und etwaige Prints) verpacke ich selbst in Handarbeit (siehe oben "nur selbstgemacht") und schicke oder bringe diese zu den Kunden.

Ganz schön viel Arbeit für "nur ein bisschen Knipsen", oder?`
Und: Ja, ich habe kein Studio. Ich will auch kein Studio. Nicht, weil ich mit einem Studio nicht umgehen könnte, sondern weil ich eine andere Art von Fotografie betreibe. Ich kann aber zu Euch kommen und falls ihr nicht in einem lichtdurchfluteten Loft wohnt kann ich so viel Licht mitbringen, dass wir trotzdem bei Euch schöne Bilder machen können. Wenn ihr Fotos von Eurem Baby haben wollt, kann ich Accessoires mitbringen, falls ihr Bilder vom Babybauch wollt, habe ich ein Kleid.....


Das Material kostet, die Technik kostet, die Aus- und Weiterbildung kostet, die Accessoires kosten, Energie, Verpackung, Hilfsmittel, Pc, Programme, Steuern, Lizenzen, Kammerbeiträge,  .... - alles kostet und Zeit ist ja bekanntlich auch Geld. Insgesamt steckt in all diesen Dienstleistungen einfach richtig viel Liebe, Zeit und 1000 Kleinigkeiten, die alle entweder Zeit oder Geld (oder beides) kosten und die man oft gar nicht wirklich wahrnimmt. 
Ihr bekommt dafür ein Produkt, dass auf Eure Wünsche zugeschnitten ist, dass Euch entspricht und das nicht jeder hat. Ihr bekommt individuelle Dinge oder Bilder. Wie viel das wert ist und ob man sich das leisten will bzw. kann entscheidet letztlich jeder für sich - aber es ist nicht weniger wert, weil es "nur" selbstgemacht ist.

Ach und P.S.: Wenn sich wirklich jemand den eigentlichen Preis nicht leisten KANN kann, man über alles reden. Dann gibt es Mini-Shootings mit weniger Zeit und weniger Bildern, Tipps, wie man sich etwas selber machen kann und ich habe tatsächlich auch schon gegen Naturalien gearbeitet. Aber nicht, weil jemand sagt "Das ist ja nur selbstgemacht"......









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