Samstag, 11. Januar 2014

"Bitte zusteigen! Vorsicht bei der Abfahrt" - das Gedankenkarusell dreht und dreht und dreht sich

Ich komme mir ein bisschen vor, wie auf dem Rummel. Ich mache mir momentan Gedanken um die Themen Anschlußheilbehandlung und Wiederaufbau. Und es ist echt wie Karusellfahren. Mein Hirn steigt ein, kreist immer wieder um die selben Dinge, bedenkt die Vor- und Nachteile, versucht, über den Tellerrand die Konsequenzen abzusehen, kann sie nur erahnen und steigt letztlich am selben Punkt aus, wie es eingestiegen ist. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Karusellfahren nicht mag?
Jetzt werden sich viele fragen "Was muss man bei Anschlussheilbehandlung überlegen? Urlaub auf Krankenkassenkosten ist doch ok - würde ich sofort machen." Ja, von wegen. Da gibt es ganz schön viel zu bedenken. 3 Wochen AHB bedeuten nämlich schon mal 3 Wochen ohne meine Kinder. Will ich das? Gut, ich könnte meine Kinder (oder einen Teil davon) mitnehmen - aber will ich das? Will ich, dass das Thema "Krebs", das bis jetzt für sie weder bedrohlich noch im Mittelpunkt ist, für sie durch diese 3 Wochen vielleicht erst zum Thema wird? Will ich haben, dass sie 3 Wochen lang permanent mit Menschen konfrontiert sind, die auch "krank" sind - von denen es vielleicht einigen nicht so gut geht wie mir? Will ich meine Kinder 3 Wochen aus ihrem Alltag reißen um dort dann ständig mit ihnen zusammenzuhängen. Einerseits würde uns die Nähe sicher nicht schaden, auf der anderen Seite heißt es auch um 20 Uhr im Zimmer zu sein, weil die Kinder ja irgendwann ins Bett müssen.
Also doch eher 3 Wochen ohne Kinder. Aber halte ich das aus? Und was ist, wenn ich die Kinder gar nicht so sehr vermisse, wie es sich für eine gute Mutter gehört? Muss ich dann damit klar kommen, dass ich keine "gute Mutter" bin? Und was, wenn hier alles ohne mich wunderbar funktioniert und mich die Kinder gar nicht wirklich vermissen? Verkraftet mein angeschlagenes Ego das?
Die Meinung meines Onkologen zum Thema "AHB" war eindeutig: "Ich würde nicht gehen. Für AHB gibt es zwei Gründe: 1. Geld in strukturschwache Gebiete bringen, 2. eine Möglichkeit für die Krankenkasse schaffen, ihre Arbeitsfährigkeit beurteilt zu bekommen.". Er meinte nur in Hinblick auf die 3 Kinder: "Überlegen Sie sich, ob sie einfach mal 3 Wochen brauchen, in denen Sie für niemanden zuständig sind..." Meine Anfrage auf AHB quittierte er mit den Worten: "Da machen sie besser Familienurlaub".
Tja, die Vorstellung von 3 Wochen in denen man für nichts und niemanden zuständig ist hat schon was - aber ich habe ja im letzten halben Jahr schmerzhaft gelernt, dass die VORSTELLUNG von vielen Dingen (Auszeit, mehr Freizeit, Tage im Bett, ...) eigentlich ganz nett ist - die UMSETZUNG allerdings selten dem entspricht, was man sich vorgestellt hat...
Erste Runde Gedankenkarusell beendet.
Zweite Runde: Wiederaufbau
Soll ich ihn überhaupt machen? Wenn ja, wie? Wo? Was heißt das? Ewige Schmerzen? Riesige Narben? Lohnt sich der Aufwand? Wie ist das danach im Krankenhaus? Will ich das überhaupt? Oder lasse ich einfach nur die zweite Seite auch entfernen? Was wenn ich dann in 5/10/15 Jahren feststelle, dass ich doch todunglücklich damit bin - ist ein Aufbau dann immer noch möglich oder muss ich jetzt die "richtige" endgültige Entscheidung fällen?
Hier werde ich wohl einen Beratungstermin bei irgendeinem plastischen Chirurgen machen und mir die Fragen beantworten lassen. Vielleicht kann mir der ja auch Fotos zeigen, wie das nach OP/nach ein paar Jahren aussieht... Mal sehen, ob das meine Entscheidungsfähigkeit beeinflusst...

Ansonsten hab ich jetzt doch Nebenwirkungen :-) 
Ich hab mir - was nicht unüblich ist - auf der kaputten Mundschleimhaut einen Soor geholt und spül jetzt mit irgendeinem komischen Mittel, das (wahrscheinlich) nach Orangen schmeckt (immerhin sind's keine Bananen...). 
An meine Hitzewallungen gewöhne ich mich langsam. Da das Klinikum die Stanze nochmal beprobt hat und festgestellt hat, dass dieses Gewebe tatsächlich minimal östrogenreaktiv war werde ich wohl doch Tamoxifen bekommen - da kann ich mich an Wechseljahrsbeschwerden schon mal gewöhnen, die werden mich ein paar Jahre begleiten. Bei Entfernung der Eierstöcke sowieso :-)

Ihr seht also: Mir geht es prinzipiell gut, mein Hirn spielt Jahrmarkt und irgendwie wird es sich alles in die eine oder andere Richtung klären.
Wahrscheinlich von selbst. Wahrscheinlich werde ich eine AHB beantragen, die Zusage kriegen und sie dann ablehnen, weil sie genau in die Zeit unseres Familienurlaubs fällt :-)  Dann hätte ich mir die ganzen Gedankenkreisereien sparen können... Aber so ist es ja meistens im Leben: Man sollte sich nicht so viele Gedanken um ungelegte Eier machen....

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