Sonntag, 5. Januar 2014

Dinge, die die Welt nicht braucht

Kennt ihr das: Wenn man erkennbar schwanger ist, erzählen einem plötzlich alle Menschen von ihren 28- Stunden-Wehen-Horror-Geburtserlebnissen. Alle. Egal, ob man das hören will, oder nicht - wenn wir ehrlich sind, will das nämlich eigentlich NIEMAND hören. Trotzdem kommt so gut wie keiner und sagt: "Mach Dir keine Sorgen, ich hab das auch schon hinter mir, das ist kein Problem, das schaffst Du. Ja, das tut weh, aber aushaltbar und danach ist nicht sofort alles vergessen - aber Hormone sind eine tolle Erfindung, die machen das dann schon."
So was würde man gerne hören. Statt dessen bekommt man die Geschichten von der Steißlagen-Zangen-Geburt, die doch noch im Notkaiserschnitt endete...
Gerne genommen auch bei Erstgebährenden - danke, beruhigt ungemein.
Alternativ wird einem gesagt, was man wie machen muss, was man keinesfalls tun/essen/trinken/denken darf usw. Besonders gute Ratschläge kriegt man übrigens von Menschen OHNE Kinder...

Ähnlich ist es, wenn man die Diagnose Krebs bekannt macht.
Entweder wird einem vom verstorbenen Onkel/Opa/Tante/Nachbarn erzählt, der bereits X Monate nach der Diagnosestellung tot war oder man bekommt gesagt, was man unbedingt tun muss oder vorher hätte tun müssen.
Ganz besonders gerne werden dann Filme oder Artikel aufgefahren mit so schönen Überschriften wie "die verschwiegenen Wahrheiten über Krebs" oder "Der Krebs-Report" oder "Krebs - das wird verheimlicht". Die Qunitessenz dieser "wissenschaftlichen" Dossiers ist meist die selbe.
a) Die Pharmaindustrie betrügt uns alle. Sie enthalten uns die wirkungsvollen aber günstigen Präparate vor, weil sie nicht daran verdienen können und geben uns teure wirkungslose Sachen, die uns krank halten
b) Die Übersäuerung des Körpers, die von unsachgemäßer Ernährung herrührt ist Schuld an Krankheiten wie Krebs, Aids, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und Verstopfung (und ich bin sicher, dass das nicht alle sind)
c) Man kann Krebs durch Ernährung besiegen - oder indem man Mittel nimmt, die die Übersäuerung des Körpers ausgleichen. Gutmenschen verkaufen uns derartige Mittel für lächerliche Summen...
d) Man hat seine Erkrankung selbst herbeigeführt.
...

zu a) Ich bin prinzipiell kein Anhänger von Verschwörungstheorien. Ich halte nichts davon, immer davon auszugehen, dass mich Gott und die Welt betrügt. Wenn sie es gut machen, ist es mir egal...
Ich glaube auch nicht daran, dass in der Pharmaindustrie irgendwer aus purer Menschenliebe irgendetwas entwickelt. Die sind dort, um Geld zu verdienen. Und sicherlich ist mit einer Krankheit wie Krebs, die X Millionen Mal auftritt mehr verdient als mit der Mondscheinkrankheit, die nur einige 100x auftritt. Das ist ethisch verwerflich und bedenklich - wirtschaftlich nachvollziehbar. Trotz allem bin ich überzeugt, dass auch die Pharmaindustrie wirkungsvolle Mittel bereit hält. Wie sagte ein Freund von mir letztens: "Ich bin ein großer Anhänger von Homöopathie und Naturheilkunde - aber einen reanimationspflichtigen Patienten heilt man nicht mit Handauflegen und Kügelchen." - so ist das eben im Leben.
Und ich habe in den letzten 10 Jahren die Pharmaindustrie nur wenig unterstützt. Ab und an mal Schmerztabletten, 2 oder 3x Antibiotika, ansonsten noch Narkosemittel, weil ich den Kaiserschnitt ohne ziemlich doof gefunden hätte - mehr haben die an mir nicht verdient. Weil ich ein relativ gesunder Mensch war. Da haben manche Menschen für die in Punkt c) angesprochenen Mittelchen (deren Wirksamkeit medizinisch nicht erwiesen ist - auch nicht nicht-erwiesen, schlicht nicht erforscht...) deutlich mehr ausgegeben.

zu b) Ich glaube nicht an monokausale Zusammenhänge. Die gibt es nur sehr selten im Leben. Alles hängt von so vielen verschiedenen Faktoren ab, dass ich es extrem unglaubwürdig finde, zu sagen "weil A, darum B". Was das Ganze für mich noch unglaubwürdiger macht ist die Tatsache, dass A nicht nur B, sondern auch noch C - H auslösen soll...
Hierzu empfehle ich jedem dieses Video. Echt sehenswert. Vor allem die letzten 2,5 Minuten.

zu c) Ich glaube, dass Ernährung sich auf unsere Gesundheit auswirkt. Dass Zucker, Weißmehl, Kaffee, Fett usw. in zu hohem Maße ungesund sind, weiß jeder von uns. Das ist nichts Neues oder Bahnbrechendes. Es heißt aber nicht, dass der Genuß von Zucker oder Weißmehl krebsauslösend ist. Hier ist es wie in ganz vielen Bereichen: Man findet für beide Seiten Studien. Es gibt die einen, die sagen: Ganz darauf verzichten hilft. Es gibt die anderen, die sagen: Krebs kann man nicht aushungern. Wenn er keine Energie mehr zugeführt bekommt, holt er sich die nötige Energie aus dem Körper des Wirtes. Krebs kann man nicht aushungern.
Jetzt muss jeder für sich entscheiden, welchen Weg er gehen will und welcher sich für einen selbst richtig anfühlt.
Ich halte es eher damit, in Maßen und mit Genuss zu essen, als mir alles zu verbieten - ohne Garantie, dass das irgendwie helfen würde.
Mein Onkologe hat mir von Anfang an gesagt: Es gibt keine Krebsdiät. Wenn sie das Gefühl haben, etwas essen/tun zu müssen, dann essen/tun Sie das - aber lassen Sie sich nicht einreden, dass es etwas ändern würde, wenn Sie etwas anderes gegessen/getan hätten. Und wenn man Ihnen etwas für viel Geld verkaufen will, dann passen Sie auf und hinterfragen Sie gut.
Was mich immer interessieren würde: Was machen Menschen, die wirklich daran glauben, dass das alles nur an der Übersäuerung liegt, wenn sie selbst eine Krebsdiagnose bekommen? Wankt dann das Weltbild oder stellen sie sich konsequenterweise gegen die Schulmedizin und lassen keine Chemotherapie zu?

zu d) Man hat im Leben vieles selbst zu verantworten. Das wenigste davon ist an einem bestimmten Punkt schief gelaufen oder ausgeartet. Man kann so gut wie nie sagen: "Hätte ich das nicht getan, wäre jenes nicht passiert". Da sind wir wieder bei den monokausalen Zusammenhängen. Klappt nicht. Dazu ist das Leben zu komplex.
Was ich aber sicher glaube ist, dass kein Mensch, der an einer ernsthaften Krankheit leidet - egal, welche das ist - Vorwürfe oder Vorhaltungen braucht, dass er sich das Ganze selbst zuzuschreiben hat. In dieser Situation braucht man Hilfe, braucht man Freunde, braucht man Leute, die einfach nur da sind, ohne gute Tipps und ohne Wenn und Aber - einfach nur so. Und man braucht eine möglichst gute ärztliche Versorgung. Weil das Leben schön ist und jeder das Recht hat, es so lange wie möglich zu haben und zu genießen.

So, mein Wort zum Sonntag.

2 Kommentare:

  1. Bisher hab ich immer nur leise mitgelesen, aber zu diesem Thema wollt ich doch kurz was schreiben. Ich bin zwar nicht (und dafür bin ich sehr dankbar, selbstverständlich) mit einer lebensbedrohlichen Krankheit konfrontiert, aber mit einer lebensbegleitenden (Neurodermitis). Und zumindest was das Thema Behandlungsmethoden und Pharmaindustrie angeht, gibt es da schon Parallelen. So wird zum Beispiel seit Jahrzehnten immer die gleiche Basispflege von den Ärzten verschrieben, auch wenn nachgewiesenermaßen zwei Drittel aller gegen den Hauptbestandteil eine Unverträglichkeit haben. Das hat mir dann irgendwann mal ein Augenarzt erklärt !!! Und wieviele der "Alternativen Methoden" ich im Laufe meines Lebens schon ausprobiert habe, jedes Mal mit der Hoffnung, den Durchbruch zu erzielen... Letztlich bin ich zu Folgenden Schlüssen gekommen:1. Die Pharmaindustrie interessiert sich nicht für den Patienten, sondern für maximalen Gewinn mit minimalem Aufwand. 2. Bei Alternativen Methoden muss man dran glauben und darf sich nicht so quälen, z.B. kann ich mich nicht wohlfühlen, wenn ich nur Reis und rohes Gemüse esse, aber die Psyche ist wohl fast das Wichtigste, um gesund zu werden!! Naja, ich weiß nicht ob dir das jetzt irgendwie weiterhilft... wollte es nur gesagt haben. ;-)

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    1. Ich habe nie behauptet, dass in der Pharmaindustrie Gutmenschen arbeiten würden... Auch ich bin davon überzeugt, dass es um Gewinne geht (hab ich ja geschrieben). Ich glaube aber nicht, dass uns deshalb die wirkungsvollen Dinge vorenthalten werden. Und ich glaube nicht, dass alles, was uns die Pharmaindustrie verkauft automatisch schlecht oder wirkungslos ist.
      Bei den alternativen Dingen stimme ich Dir zu: Dran glauben hilft auf jeden Fall.
      Wegen mir darf auch jeder glauben, was er mag. Und es darf jeder Leben wie er mag. Ich mag nur keine direkten oder indirekten "Vorwürfe" von wegen: Selbstinduziert. Auch Neurodermitis ist ja mit Ernährung zu beeinflussen. Sie wird aber nicht von Ernährung gemacht.

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