Sonntag, 4. Mai 2014

Freundschaft

Wir waren gestern auf einer Hochzeit. Einer meiner Schulfreunde hat geheiratet. Die Einladung kam ziemlich überraschend. Nicht, weil ich ihm nicht zugetraut hätte, dass er heiratet, sondern weil die beiden vor knapp 3 Monaten beschlossen haben, zu heiraten - und weil wir uns vor ca. 4 Jahren zum letzten Mal gesehen haben und zwischendurch keinen Kontakt mehr hatten.
Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut und dort einige "alte" Freunde getroffen (langsam kommen wir ja in das Alter, in dem das Wort in beide Richtungen passt...), die ich ebenfalls schon lange nicht mehr gesehen habe.
Und trotzdem haben wir alle quasi da weitergemacht, wo wir vor 1, 2 oder 4 Jahren aufgehört hatten. Wir haben uns gut verstanden, wir konnten uns unterhalten, ohne nur Smalltalk zu machen, wir haben miteinander gelacht und es war das Gefühl von Verbundenheit da.
Es gibt Menschen, die sehe ich beinahe jeden Tag, bei denen habe ich das nicht.
Was also macht Freundschaft aus? Was bedeutet Freundschaft?
Mal abgesehen von einer grundlegenden Sympathie (die ja Voraussetzung ist). Was macht manche Menschen zu Freunden und anderen nicht? Und woran merkt man, dass etwas eine Freundschaft ist und etwas anderes nur eine Bekanntschaft?
Ich habe festgestellt, dass das oftmals fließend ist. Bekanntschaften werden zu Freundschaften, Freundschaften zu Bekanntschaften, manche Freundschaften bleiben Freundschaften, andere fallen ganz weg. Es ist auf Pädagogendeutsch "alles im Fluss"...
Im Facebook-Zeitalter haben wir ja alle unglaublich viele "Freunde" - aber wie viele davon sind wirklich echte Freunde?

Was für mich (unter anderem) Freundschaft ausmacht ist:

  • füreinander da zu sein - auch nachts um 3 oder Sonntag nachmittag um halb fünf. Egal ob am Telefon, per Mail oder live
  • Ehrlichkeit - nicht die gnadenlose "ich hau Dir eine Schaufel über die Rübe und hoffe, dass Du schnell umfällst"-Art von Ehrlichkeit. Keine, die darauf ausgelegt ist, zu verletzen. Sondern die Art von Ehrlichkeit, die auch unschöne Dinge anspricht, die auf schwierige Wesenszüge oder Verhaltensweisen hinweist und gleichzeitig sagt: Ich will trotzdem was mit Dir zu tun haben. Ich muss der Freundin beim Einkaufen nicht sagen: "In dem Kleid sieht man, wie fett Du bist" - ich kann aber durchaus sagen: "Ich glaube, das andere steht Dir besser" - oder auch: "Meiner Meinung nach steht Dir dieses Kleid nicht"
  • Interesse - Zu Freundschaft gehört auch, dass ich mich dafür interessiere, was den anderen bewegt. Klar, mal mehr mal weniger. Wenn ich selbst viel um die Ohren habe kann ich nicht nur zuhören. Aber insgesamt sollte das schon spürbar sein.
  • Augenhöhe - Freundschaft funktioniert nur auf gleicher Augenhöhe. Wenn sich ein Part besser/schöner/klüger/... vorkommt, wird es schwierig
  • Ausgeglichenheit - es sollte ein gegenseitiges Geben und Nehmen sein und zwar nicht nach dem Motto "einer gibt immer und der andere nimmt immer", sondern jeder gibt und jeder nimmt, mal mehr und mal weniger - aber in der Summe ausgeglichen.
  • Nachsichtigkeit - auch in Freundschaften gibt es Aufs und Abs. Manchmal muss man ordentlich einstecken - und dann zeigt sich, wie tragfähig der Boden ist. Aber manchmal muss man eben auch schlucken und dann weitergehen - und nicht ewig daran herumwürgen.
  • Annahme - in einer Freundschaft will ich so sein, wie ich bin. Ich will mich nicht verstellen müssen. Zumindest im groben Zügen sollte dem anderen mein Charakter und meine Art zu leben wohl passen - er/sie muss zumindest akzeptieren, dass ich so bin, wie ich bin. Wenn jemand versucht, mich umzukrempeln oder mein Leben zu verändern wird's schwierig. Genauso, wie ich ebenfalls bereit bin, zu akzeptieren, dass andere anders sind und anders leben. 
  • Grenzen - auch in einer guten (und sogar der besten) Freundschaft, muss jeder das Recht haben, seine eigenen Grenzen zu ziehen. Sowohl emotional als auch sonst. Es muss kein Geld verliehen werden, nur weil es einem Freund schlecht geht, manche intimen Dinge müssen nicht besprochen werden. Das alles KANN passieren, muss aber nicht.
  • miteinander teilen - nicht nur materiell, sondern (und vor allem) emotional. Miteinander lachen, weinen, Probleme besprechen, lästern, ... Teil haben am Leben des anderen eben.
und was mit am Wichtigsten ist:
  • Man kann sich auch mal eine Zeit lang nicht sehen, weil es der Alltag oder eine bestimmte Lebenssituation eben gerade nicht zulässt, dass man sich groß um anderen kümmert. Oder sich evtl. sogar noch nie gesehen haben und sich nur per Mail/Brief/Telefon kennen. Aber zwischendrinnen kann man dem anderen durch ein kleines Zeichen zeigen, dass man noch lebt und dass man an den anderen denkt, egal ob durch eine SMS, einen Anruf, eine Postkarte, einen Brief, einen Besuch oder was auch immer. Und wenn man sich dann mal (wieder) sieht oder miteinander telefoniert, kann man da weitermachen, wo man aufgehört hat.

Danke an alle meine Freunde. Die alten, die neuen, die vergangenen und die gebliebenen und auch an alle, die noch kommen werden.
Danke, dass ihr für mich da seid, dass ihr mit mir lacht und weint. Danke, dass ich mit Euch lästern - und manchmal auch einfach mit Euch schweigen darf. Danke, dass ihr Teil meines Lebens seid, auch wenn wir uns nicht täglich sehen oder sprechen. Danke, dass ihr mir sagt, wenn ich völlig daneben liege und mich wieder einnordet, wenn ich schwimme. Danke, dass ihr mich annehmt, wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten (oder in meinem Fall auch mit allen Kurven und Polstern) - mit roten, grauen oder straßenköterbraunen Haaren oder auch ohne Haare, mit blauen, roten oder schwarzen Schuhen. Danke, für all die Kilometer Lebensweg, die ihr bereits mit mir gegangen seid oder noch gehen werdet.
Danke, dass ich mit Euch normal oder verrückt, erwachsen oder kindisch sein darf.
Danke, dass es Euch gibt.



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