Dienstag, 6. Mai 2014

Never give up

Gestern hat mir eine Freundin erzählt, dass ihr Vater die Diagnose "Krebs" bekommen hat - leider mit wesentlich schlechterer Prognose als ich.
Das mit der Prognose ist natürlich immer so eine Sache. Die Ärzte sagen "6 Monate bis 5 Jahre" - aber man weiß es eben nie genau. 6 Monate ist ganz schön kurz, 5 Jahre hingegen - da kann man schon noch eine Zeit lang verdrängen.  Und in 5 Jahren tut sich ja auch noch einiges in der Medizin.
Ich kenne/kannte Menschen, die galten als austherapiert und haben noch 5 Jahre gelebt oder leben noch. Leider ist auch die andere Variante vorstellbar...
Auf jeden Fall geht mir das seither nicht mehr aus dem Kopf. Wie damit umgehen, wenn einem gesagt wird: "Deine Zeit ist klar messbar" - nicht nur das allgemeine Wissen, dass das Leben endlich ist, sondern auch noch wissen, dass das Ende absehbar ist? Dass man viele Dinge nicht mehr wird tun/erleben können.
Wie als Angehöriger damit umgehen, dass einem klar wird, dass man sich von einem geliebten Menschen wird verabschieden müssen? Nicht irgendwann, sondern in absehbarer Zukunft.

Daher heute mein Post für alle Schwerkranken und deren Angehörige und Freunde.
Ich wünsche Euch allen Kraft - um mit der Situation umzugehen und nicht zu verzweifeln. Um auch unangenehme Themen durchzudenken und zu -sprechen. Sicher ist es nicht toll, zu überlegen, wer in einer Patientenverfügung eingetragen wird,  zu besprechen, wie eine Beerdigung aussehen soll oder ein Testament zu schreiben. Aber unter Umständen kann es helfen, sich dem drohenden Ende (das evtl. erst in einigen Jahren kommt) nicht völlig hilflos ausgeliefert vorzukommen. Vor allem wünsche ich Euch aber Kraft, um das Leben und alles was es mit sich bringt, auszuhalten und trotzdem so gut es geht zu genießen und nicht nur das Dunkel, sondern auch die Sonne darin noch zu sehen-
Ich wünsche Euch Zeit - mit Euren Lieben, um noch besondere Dinge zu tun, um Dinge zu sagen, die gesagt werden müssen, um Sachen zu regeln und auch Zeit für ganz normalen Alltag. Erzählt Euren Lieben Eure Geschichte. Vor allem aber wünsche ich Euch Zeit um miteinander zu lachen und die Zeit miteinander zu genießen.
Ich wünsche Euch Menschen, die für Euch da sind - sowohl für die Kranken, als auch für die Angehörigen. Egal, wieviel man ertragen muss, wenn man es mit jemandem teilen kann, ist es nicht mehr ganz so furchtbar. Wenn man nicht alleine da steht, wird vieles einfacher.
Ich wünsche Euch Glauben - egal ob an Gott oder Allah oder Buddha oder sonst irgendetwas. Darauf zu vertrauen, dass eine höhere Macht einen hält macht vieles leichter. Ob diese einen Namen hat oder nur ein Gefühl des Nicht-Verlassen-Seins ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Zuletzt wünsche ich Euch Mut - um die nötigen Schritte zu gehen, auch wenn sie vorher unglaublich schwer erscheinen. Mut, sich den unangenehmen Dingen zu stellen und darüber zu sprechen. Und ganz zum Schluss wünsche ich Euch den Mut, loszulassen.

Das waren viele Worte für Situationen, in denen man eigentlich nichts sagen kann. Nichts, außer "Mist" oder "es tut mir leid".
Ich bin in Gedanken bei Euch und ich wünsche allen, die ich nicht kenne, andere Menschen, die in Gedanken bei Euch sind.

Für Euch alle noch ein Stück aus einem meiner Lieblingsbücher "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry:

»Kleiner Bursche, du hast Angst gehabt...«
Er hatte Angst gehabt, ganz gewiss! Aber er lachte sanft:
»Ich werde heute abend noch viel mehr Angst haben...«
Wieder lief es mir eisig über den Rücken bei dem Gefühl des Unabwendbaren. Diese Lachen nie mehr zu hören - ich begriff, dass ich den Gedanken nicht ertrug. Es war für mich wie ein Brunnen in der Wüste.
»Kleiner Bursche, ich will dich noch lachen hören...«
Aber er sagte zu mir:
»Diese Nacht wird es ein Jahr. Mein Stern wird sich gerade über dem Ort befinden, wo ich letztes Jahr gelandet bin...«
»Kleiner Mann, sag mir, dass sie nur ein böser Traum ist, diese Geschichte mit der Schlange und dem Treffpunkt und dem Stern...«
Aber er antwortete nicht auf meine Frage. Er sagte:
»Was wichtig ist, sieht man nicht...« »Gewiss...«
»Das ist wie mit der Blume. Wenn du eine Blume liebst, die auf einem Stern wohnt, so ist es süß, bei Nacht den Himmel zu betrachten. Alle Sterne sind voll Blumen.«
»Gewiss...«
»Das ist wie mit dem Wasser. Was du mir zu trinken gabst, war wie Musik, die Winde und das Seil... du erinnerst dich... es war gut.«
»Gewiss...«
»Du wirst in der Nacht die Sterne anschauen. Mein Zuhause ist zu klein, um dir zeigen zu können, wo es sich befindet. Es ist besser so. Mein Stern wird für dich einer der Sterne sein. Dann wirst du alle Sterne gern anschauen... Alle werden sie deine Freunde sein. Und dann werde ich dir ein Geschenk machen...«
Er lachte wieder.
»Ach! Kleiner Bursche, kleiner Bursche! Ich höre diese Lachen so gern!«
»Gerade das wird mein Geschenk sein... Es wird sein wie mit dem Wasser...«
»Was willst du sagen?«
»Die Leute haben Sterne, aber es sind nicht die gleichen. Für die einen, die reisen, sind die Sterne Führer. Für andere sind sie nichts als kleine Lichter. Für wieder andere, die Gelehrten, sind es Probleme. Für meinen Geschäftsmann waren sie Gold. Aber alle diese Sterne schweigen. Du, du wirst Sterne haben, wie sie niemand hat...«
»Was willst du sagen?«
»Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können!«
Und er lachte wieder.
»Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen... Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: 'Ja, die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen!' Und sie werden dich für verrückt halten. Ich werde dir einen hübschen Streich gespielt haben...«
Und er lachte wieder.
»Es wird sein, als hätte ich dir statt der Sterne eine Menge kleiner Glocken geschenkt, die lachen können...«
Und er lachte noch immer. Dann wurde er wieder ernst:
»Diese Nacht... weißt du... komm nicht!«
»Ich werde dich nicht verlassen.«
»Es wird so aussehen, als wäre ich krank... ein bisschen, als stürbe ich. Das ist so. Komm nicht das anschauen, es ist nicht der Mühe...«
»Ich werde dich nicht verlassen.«
Aber er war voll Sorge.
»Ich sage dir das... auch wegen der Schlange. Sie darf dich nicht beißen... Die Schlangen sind böse. Sie können zum Vergnügen beißen...«
»Ich werde dich nicht verlassen.«
Aber etwas beruhigte ihn:
»Es ist wahr, sie haben für den zweiten Biss kein Gift mehr...«
Ich habe es nicht gesehen, wie er sich in der Nacht auf den Weg machte. Er war lautlos entwischt. Als es mir gelang, ihn einzuholen, marschierte er mit raschem, entschlossenen Schritt dahin.
Er sagte nur: »Ah, du bist da...«
Und er nahm mich bei der Hand. Aber er quälte sich noch:
»Du hast nicht recht getan. Es wird dir Schmerz bereiten. Es wird aussehen, als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein...«
Ich schwieg.
»Du verstehst. Es ist zu weit. Ich kann diesen Leib da nicht mitnehmen. Er ist zu schwer.«
Ich schwieg.
»Aber er wird daliegen wie eine alte verlassene Hülle. Man soll nicht traurig sein um solche alten Hüllen...«
Ich schwieg.
Er verlor ein bisschen den Mut. Aber er gab sich noch Mühe:
»Weißt du, es wird allerliebst sein. Auch ich werde die Sterne anschauen. Alle Sterne werden Brunnen sein mit einer verrosteten Winde. Alle Sterne werden mir zu trinken geben...«
Ich schwieg.
»Das wird so lustig sein! Du wirst fünfhundert Millionen Glocken haben, ich werde fünfhundert Millionen Brunnen haben...«
Und auch er schwieg, weil er weinte...
»Da ist es. Lass mich einen Schritt ganz allein tun.« Und er setzte sich, weil er Angst hatte.
Er sagte noch:
»Du weißt...meine Blume...ich bin für sie verantwortlich! Und sie ist so schwach! Und sie ist so kindlich. Sie hat vier Dornen, die nicht taugen, sie gegen die Welt zu schützen...«
Ich setzte mich, weil ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte.
Er sagte:
»Hier... Das ist alles...«
Er zögerte noch ein bisschen, dann erhob er sich. Er tat einen Schritt. Ich konnte mich nicht rühren. Es war nichts als ein gelber Blitz bei seinem Knöchel. Er blieb einen Augenblick reglos. Er schrie nicht. Er fiel sachte, wie ein Blatt fällt. Ohne das leiseste Geräusch fiel er in den Sand (...)


3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für deine Anteilnahme! Danke, für die schönen Worte und das ernstgemeinte Angebot!

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    1. Ich denke ganz fest an Euch und schließe Euch in meine Gebete ein (auch wenn das vielleicht doof klingt)

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  2. Klingt nicht doof, sondern lieb!

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