Dienstag, 15. Oktober 2013

von der Angst und überhaupt

Das mit der Angst ist so eine Sache. Sie ist ein fieses kleines Tierchen, das lauert und einen gerne mal plötzlich aus dem Nichts angreift. Dabei plustert sie sich manchmal auf, als wäre sie groß und wichtig - dabei ist sie meistens eigentlich gar nicht so bedrohlich, wie man sie wahrnimmt. Wie ein kleines Tierchen, dass versucht, durch Aufstellen der Nackenhaare und Aufplustern des Schwanzes groß und gefährlich auszusehen.
Nichtsdestotrotz ist sie da und schafft es manchmal, uns zu beherrschen. Nicht immer, aber manchmal.
Ich bin allerdings so ein renitenter Mensch, der es fürchterlich dick hat, sich von irgendetwas beherrschen zu lassen. Schließlich bin ich doch frei... (bilde ich mir ein bzw. möchte ich gerne von mir denken). Also will ich auch nicht haben, dass die Angst mich im Griff halten darf. Und deshalb hab ich diesem niedliche kleinen Tierchen (ja, so wird's einfacher) den Kampf angesagt.
Ich hab mir mal genau überlegt, wovor ich eigentlich Angst habe. Also wovor GENAU.
Und ich bin zu folgendem Schluss gekommen:
a) ich habe keine Angst vor dem Sterben - die kommt nur, wenn ich bewusst drüber nachdenke, dass ich Krebs habe und man an Krebs sterben kann. Aber so im urplötzlichen Gefühlswall habe ich keine Angst davor. Das ist gut, weil dann sterbe ich nicht. (Diese Schlussfolgerung ist zugegebenermaßen ein bisschen so wie das mit den roten Schuhen und dem "dann wird alles gut" - aber ich will jetzt keine realistische Aufklärung darüber. Können wir diesen in meinem Hirn bestehenden Zusammenhang bitte einfach so stehen lassen?)
b) ich habe keine Angst vor der Amputation der Brust. ich hab kürzlich in einem völlig anderen Zusammenhang gelesen, dass es so etwas wie eine Erleichterung gibt, wenn etwas eintritt, das man schon lange fürchtet. Ich bin an dem Punkt. Irgendwie bin ich erleichtert, dass es jetzt so weit ist - auch wenn ich mich eigentlich gar nicht drum reiße, dass ich Krebs habe - aber auf der anderen Seite "wusste" ich immer, dass es mich irgendwann erwischt - die Wahrscheinlichkeiten sprachen einfach klar gegen mich. Dann besser jetzt, wo ich relativ jung und stark und gut getragen von einer stabilen Beziehung und einer tollen Familie bin.
c) ich habe Angst vor der Chemo - oder den wahrscheinlich eintretenden Nebenwirkungen. Andererseits habe ich vorgesorgt. Ich habe Mütze und Kopftücher, stricke gerade wieder eine Mütze - und war beim Friseur. Ich habe jetzt wieder richtig kurze Haare - und da fällt das Rasieren nicht so schwer. UND ich habe beschlossen: Sobald das erste Büschel fällt, rasiere ich den Kopf. Ich stehe dem Ganzen also nicht kampflos gegenüber, sondern ich kann dem Mist AKTIV entgegentreten. Für mich persönlich macht das einen ganz großen Unterschied - auch wenn den anderen vielleicht nicht nachvollziehen können.
d) ich habe Angst davor, dass mich mein Mann nach dem Wiederaufbau und den Amputationen evtl. nicht mehr anfassen kann, dass ich für ihn abstoßend werde. Er versucht mich da immer wieder zu beruhigen - aber ich glaube, den Punkt können wir erst abhaken, wenn es so weit ist. Ich hoffe, er ist dann immer noch der Meinung, dass die OPs nichts an MIR ändern.
e) ich habe Angst davor, wie ich das mit den Nebenwirkungen der Chemo und den Kindern schaffen werde und davor, meine Kinder an andere Menschen zu "verlieren". Das ist für einen klar denkenden Menschen ebenfalls nicht nachvollziehbar, aber mir macht es momentan eben Angst. Dass sie den Papa, die Omas, den Opa oder wen auch immer danach "viel lieber" haben - einfach nur, weil sie mich nicht immer haben können. Aber auch das ist etwas, was abzuwarten ist. Und da war es wieder, mein Problem: Ich kann nicht wirklich gut warten....
f) ich habe Angst davor, alle wichtigen Feste zu verpassen. Das ist wahrscheinlich ebenfalls lächerlich, aber es steht einfach noch einiges an, an dem ich gerne teilnehmen will: Unsere 3. Oma feiert Geburtstag, meine Nichte hat Geburtstag, meine Schwiegermutter hat Geburtstag, meine Tochter hat Geburtstag, Nikolaus und Weihnachten kommen, nochmal eine Nichte hat Geburtstag, mein Sohn hat Geburtstag, Silvester steht an - und ich kann überhaupt nicht planen, ob ich das alles mitfeiern kann oder mich zu Hause verkrümeln muss, weil ein schlechter Tag ist... Gerade Weihnachten und Silvester machen mir dabei wirkliche Probleme. Ich LIEBE Silvester und Weihnachten hat einen ganz besonderen Stellenwert. Wie wird das dieses Jahr? Diese Ungewissheit macht mir Angst.

Insgesamt glaube ich, dass von a bis f mir tatsächlich nicht die einzelnen Dinge, sondern die UNGEWISSHEIT Angst machen... Und gegen die kann ich einfach nichts machen (habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich ein dezentes Problem damit habe, Kontrolle über mein Leben abzugeben???)

Um mit diesen kleinen (?!?) Ängsten klar zu kommen überlege ich mir im Gegenzug immer wieder mal, was denn die ganze Geschichte an Positivem hat (ja, das gibt es auch). Hier also meine Positiv-Liste:
a) Es bringt uns als Familie wieder näher zusammen.
b) Die "Angst" vor einer möglichen Krebserkrankung ist erst mal vom Tisch (bzw. liegt jetzt offensichtlich drauf)
c) Ich bekomme völlig neu modellierte Brüste, die wahrscheinlich kleiner ausfallen als die jetzigen und verliere dafür noch Bauchfett (ich gebe zu, dafür braucht man etwas schwarzen Humor... der Nachteil ist, dass mein ausladendes Hinterteil dann nicht mehr unbedingt dazupasst)
d) ich habe jetzt dann ein halbes Jahr (oder länger) Pause in der Arbeit ohne schwanger zu sein und danach mein Leben lang Verantwortung für noch ein Kind zu haben (ich liebe alle meine Kinder, ich nehme die Verantwortung gerne auf mich, aber die Entscheidung war schon lange gefallen, dass es bei 3 bleiben wird - hier hätte ich also keine Chance mehr auf eine Auszeit gehabt)
e) ich kann jetzt dann im Krankenhaus ausschlafen, lesen und muss nicht kochen und aufräumen
f) ich kann im nächsten Jahr ganz leicht den Mitleids-Joker ziehen und andere für mich unliebsame Aufgaben erledigen lassen (vielleicht sollte ich das hier nicht so öffentlich schreiben - nicht dass es dann nicht mehr klappt...)
g) wir wissen, wie viele Menschen tatsächlich hinter uns stehen und uns unterstützen. Wir sehen, wer wirkliche Freunde sind und wer nicht.
h) wenn ich wieder voll einsatzfähig sind, werden meine Familie und meine Kollegen/Chefs sich wirklich freuen und den Zustand zu schätzen wissen (das tun sie wahrscheinlich jetzt schon - aber ich brauche mehr Punkte auf der Positiv- als auf der Angst-Liste, sonst macht das Ganze hier wenig Sinn...)

Ok, laut dieser Liste überwiegt das Positive (und ich will NICHT haben, dass mir jetzt irgendwer meine Milchmädchenrechnung vor Augen führt...)

5 Kommentare:

  1. Test,Test,Test......nur um das Nirvana zu ärgern

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  2. Guten Morgen Julia,
    Ausgerechnet die Ungewissheit ist es die dir Angst macht?Wir leben doch alle in Ungewissheit,ob nun bewusst oder nicht ist ein anderes Thema,aber keiner von uns kann mit Gewissheit sagen was morgen oder in ein-zwei Monaten passiert.Der große Kontrahent der Ungewissheit ist die Improvisation,die zerstört nämlich dem Ungewissen jeden Nährboden.....
    Und ausserdem wirst du Weihnachten,Geburtstage und Silvester feiern,und wenn nicht dann wird nächstes Jahr auch wieder Weihnachten und Silvester sein.Und bei deinen Kindern wirst du ganz sicher auch weiterhin an erster Stelle der Prioritätenliste stehen, auch wenn vielleicht andere Menschen demnächst einige praktische Dinge übernehmen müssen,wird sich das niemals ändern.....und wenn doch,dann werden sie enterbt:-))
    Ich bin sicher du weißt daß es so ist....

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  3. Übrigens bin ich ja total neidisch auf deine roten Schuhe geworden und werde deswegen in diesem Winter auch rote Schuhe tragen:-))

    Ausgesucht hatte ich mir folgendes Modell
    http://www.amazon.de/Timberland-Premium-FTB_6in-Boot-Stiefel/dp/B00842SXHI/ref=sr_1_39?s=shoes&ie=UTF8&qid=1381910935&sr=1-39&keywords=rote+schuhe+damen

    Naja,da diese Schuhe aber vom Preis her meinen Geldbeutel ziemlich strapazieren würden,werden es nun diese hier.....

    http://www.amazon.de/Caprice-Marlene-B-1-9-9-25260-21-Damen-Stiefel/dp/B00CM5PRLS/ref=sr_1_53?s=shoes&ie=UTF8&qid=1381911379&sr=1-53&keywords=rote+schuhe+damen

    Das passt dann auch in meinen finanziellen Rahmen.

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    1. Die schauen gut aus. Ich glaube, dieser Winter ist einfach wie gemacht für rote Schuhe... Jetzt schon...
      Was ich im Kopf weiß und was sich in gemeinen Gegenden meines Bauchs irgendwie anfühlt ist momentan leider nicht immer das selbe... Aber es wird schon werden. Wie Du schon sagst: Zur Not werden sie enterbt.

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